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Der Weihnachtstraum
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„Dieses Jahr ist der Winter schon sehr früh in unserer Stadt angekommen“, sagte beim Abendessen der Mann zu seiner Frau. Im gleichen Moment lachte ihr Sohn Theodor, der hastig sein Essen hinunterschlang. „Iss nicht so hastig und setzt dich gerade hin“ sagte seine Mutter. „Ich, ich…“ und mit vollem Munde spricht man nicht, ermahnte sie ihn. Ich möchte schnell fertig sein, damit ich den Schneeflocken beim Tanzen zusehen kann, sprach er zu seiner Mutter. „Mama, jetzt wo es schneit ist doch bald Weihnachten?“ Ja, sagte die Mutter, am Sonntag ist bereits der erste Advent. „Ich geh jetzt ins Bett“ murmelte der Vater vor sich hin und ging aus der Küche. „Halt Papa, halt, kann ich morgen mit dir in die Arbeit gehen, ich werde dir bestimmt viel helfen, sagte er aufgeregt „und…“ und das Christkind freut sich bestimmt, dass ich recht brav bin. – Dann bekomme ich viele Geschenke. „Nein“ sagte der Vater. Wir müssen morgen in den Wald, um den Christbaum, der jedes Jahr auf dem Kapellenplatz aufgestellt wird, zu fällen. Das ist eine gefährliche Arbeit, dabei kann ich nicht auch noch auf dich aufpassen! „Ist gut Papa“ antwortete Theodor. „Mama!“ Ja, mein Schatz? Bekomm ich trotzdem viele Spielsachen vom Christkind, auch wenn ich Papa morgen nicht helfen kann? Mein lieber Junge, es kommt nicht darauf an, dass Du nur vor Weihnachten brav bist, sondern Du sollst das ganze Jahr über brav und nett zu deinen Mitmenschen sein. Ist gut Mama, dann schaue ich jetzt den Schneeflocken beim Tanzen zu. Nach einer halben Stunde rief die Mutter: „Theodor es ist Zeit ins Bett zu gehen!“ Ein paar Minuten noch, die Schneeflocken tanzen gerade so schön – schau nur Mama wie sie durch die Luft fliegen!“ Das gehört auch zum Bravsein, dass man folgt, ermahnte die Mutter ihn. Dann ging Theodor ins Bett. Am nächsten Morgen stand er schon früh auf, denn er wollte wissen, wie viel Schnee gefallen ist. Er schaute zum Fenster hinaus und rief ganz laut: „Hurra, hurra heute kann ich nach der Schule Schlitten fahren!“ In diesem Augenblick kam die Mutter ins Zimmer. „Mama, Mama, schau nur wie viel Schnee heute Nacht gefallen ist. Du musst mir sofort den Schlitten vom Speicher holen!“ rief er aufgeregt. „Ja mein liebes Kind. Ich habe für dich auch eine gute Nachricht, sprach die Mutter. Heute fällt wegen des starken Schneefalls die Schule aus und Du kannst zuhause bleiben. „Juhu!“ schrie er laut, dann kann ich ja sofort zum Schlitten fahren gehen. Jetzt zieh dich erst mal an und frühstücke, dann kannst Du immer noch weg, sagte die Mutter zu ihrem Sohn. Kurze Zeit später war Theodor schon unterwegs nach Krumbach. Dort konnte man sehr gut Schlitten fahren. Die Mutter meinte, als sie Theodor half einen Schneeanzug anzuziehen, dass sie als Kind auch immer in Krumbach Schlitten gefahren war. Theodor schlenderte gut gelaunt mit seinem Schlitten die Max-von-Müller-Straße, Richtung Bahnhof hinunter – da kam er am einzigen Spielwarengeschäft, das es im Ort gab, vorbei. In den drei Schaufenstern waren viele, viele Spielsachen zu sehen. Im ersten Schaufenster war eine moderne Eisenbahnanlage aufgebaut. Die Züge fuhren alle von alleine, nicht sowie die alte, die Theodor zu Hause hatte, die man noch mit dem Schlüssel aufziehen musste. Im anderen Schaufenster waren lauter Puppen und Kinderwagen zu sehen. „Pfui Teufel“, sagte er zu sich, „das ist ja alles für Mädchen“. Im dritten Schaufenster waren nur Spielsachen für Jungs sehen. Sein Gesicht klebte wie ein Magnet an der Scheibe, er konnte sich gar nicht satt sehen. In dem Moment, als Theodor so vor sich hinträumte, sprach ihn eine ältere Frau an, die einen großen Hut auf dem Kopf hatte: „Mein Junge, bist Du an der Scheibe angefroren, kann ich dir helfen?“ Dabei erschrak er, dass er, ohne seinen Schlitten mitzunehmen, um die Ecke in die Schulstraße lief. Dort wartete er einige Minuten, um dann vorsichtig mit einem Auge um die Ecke zu blinzeln, um festzustellen ob die Luft wieder rein war. „Gott sei Dank“ dachte er sich, die Frau ist wieder weg und mein Schlitten ist auch noch da. Nochmal Glück gehabt. Vorsichtig bewegte er sich wieder in Richtung Schaufenster, dabei blickte er sich ängstlich in jede Richtung um, damit er nicht nochmals der Frau begegnete. Als Theodor am Schaufenster ankam, bestaunte er die vielen kleinen und großen Autos. Ja, ein rotes Auto mit gelben Punkten, das wünsch ich mir dieses Jahr vom Christkind, dachte er sich. Er ging sofort nach Hause, setzte sich an den Küchentisch und malte eifrig an dem Bild. „Was malst Du denn da Theodor, fragte ihn die Mutter.“ „Ich male gerade ein Bild für das Christkind, damit es weiß, was ich mir dieses Jahr wünsche.“ „Und was wünschst Du dir vom Christkind?“ fragte die Mutter unwissend. „Eine elektrische Eisenbahn, einen Roller, ein Malbuch mit Stiften, süße Plätzchen und Lebkuchen und ein rotes Auto mit gelben Punkten.“ „Sonst nichts mehr?“ fragte die Mutter erstaunt. „Nein“, sagte Theodor mit glänzenden Augen „Das ist alles.“
Nach einer Weile war der Wunschzettel fertig. „Mama hast Du ein Kuvert und eine Briefmarke? Ich möchte den Brief gleich auf das Postamt bringen, damit das Christkind meinen Brief so schnell wie möglich erhält. Die Mutter machte eine Schublade auf und entnahm ein Kuvert, setzte sich an den Küchentisch und sagte zu ihm: „Weißt Du Theodor, als ich noch ein Kind war, legte ich am Abend meinen Wunschzettel fürs Christkind immer außen auf das Fensterbrett und noch etwas Würfelzucker dazu und meine Wünsche wurden vom Christkind immer erfüllt“. „Alle Wünsche“ fragte Theodor und sah seine Mutter mit erstaunten Augen an. „Ja, die Menschen waren damals sehr arm, deshalb war der Wunschzettel der Kinder immer sehr bescheiden, so konnte das Christkind jeden Wunsch erfüllen.“ Na gut, meinte Theodor, dann mache ich das auch so, dann bekomm ich bestimmt mein rotes Auto mit den gelben Punkten. Es sind ja noch einige Tage bis Weihnachten meinte die Mutter. Am Abend kam der Vater nach Hause, setzte sich in der Küche auf die Bank, er war erschöpft. „Heute haben wir einen schönen großen Baum aus dem Wald geholt und gleich auf dem Kapellenplatz aufgestellt, jetzt muss er nur noch mit Kerzen bestückt werden, dann kann Weihnachten kommen. Am nächsten Wochenende beginnt der Christkindlmarkt, wir könnten alle drei hingehen und uns auf Weihnachten einstimmen, meinte seine Frau. Das ist ein guter Vorschlag, was meinst Du Theodor? O ja, Papa, wir gehen alle drei auf den Christkindlmarkt. Dann war es soweit, am Samstag eröffnete pünktlich um 13.00 Uhr der 1. Bürgermeister den Christkindlmarkt. Theodor war mit seinen Eltern auch dort, er hoffte er würde das rote Auto mit den gelben Punkten in den Spielzeugbuden finden. Jede Weihnachtsbude schaute er sich genau an und es waren viele, er fand das Auto nicht. Mach dir keine Sorgen, Du hast ja deinen Weihnachtsbrief mit den Zuckerstückchen dem Christkind schon auf das Fensterbrett gelegt und das Christkind hat ihn bestimmt schon gesehen und mitgenommen. Meinst Du? „Ja sicher, Du kannst ja, wenn wir nach Hause kommen, gleich nachsehen.“ Das tat er dann auch. Er stellte mit Erstaunen fest, dass der Brief schon weg war und seine Aufregung legte sich. So vergingen die Tage, Theodor konnte keine Nacht mehr richtig schlafen, so plagten ihn seine Träume. Mama, wie oft muss ich noch schlafen bis das Christkind kommt? Nur noch einmal, mein Liebling, morgen kommt das Christkind. „Juhu!“ rief begeistert Theodor. Wann kann ich ins Bett gehen? Du musst dich noch einige Stunden gedulden! Sagte die Mutter. Nach dem Abendessen ging Theodor freiwillig ins Bett, was er sonst nie tat. „Ich freue mich schon auf den Heiligen Abend und auf das Christkind und die Geschenke, gute Nacht Mama.“ sagte Theodor. Schnell zog er die Decke über die Schulter und schlief sofort ein. Sein Schlaf war nicht mehr so unruhig wie die letzten Tage, im Gegenteil, en Lächeln war in seinem Gesicht zu sehen, als würde er einen schönen Traum haben. Ja, Theodor träumt. Er träumte, dass das Christkind ihm einen Engel vom Himmel schickte, der ihn aufforderte mit ihm auf seiner Wolke zu fliegen. Der Engel reichte ihm die Hand und schon schwebten sie davon. „Wohin fliegen wir?“ fragte Theodor schüchtern. „Lass dich überraschen“ sagte der Engel. Sie flogen über tief verschneite Dörfer und Wiesen bis es am Horizont ganz hell wurde. Es sah aus wie eine große Stadt, in der viele Lichter brannten. Wir werden hier landen. „Du wirst schon erwartet!“ sprach der Engel mit sanfter Stimme. Die Wolke landete sanft vor einem großen Glasgebäude, dort wartete schon ein Herr im feinen Anzug, der ihn begrüßte. „Guten Tag“, ich bin der Produktionsleiter der Bayrischen Motorenwerke. Mein Name ist Johannes Bölke. Ich darf dich, lieber Theodor im Namen des Christkinds in unserem Automobilwerk recht herzlich begrüßen. Theodor traute seinen Augen nicht. Ich in einem Automobilwerk, ich glaub ich träume? Wenn Du nichts dagegen hast, werde ich dich durch unser ganzes Werk führen. In der ersten Halle in die sie gingen, wurde aus vielen kleinen und großen Blechteilen die Karosserie, teils von Menschenhand aber auch von computergesteuerten Robotern zusammengeschweißt. Theodor staunte mit großen Augen, und es fiel ihm sofort sein Weihnachtswunsch wieder ein. „Kann man sich auch ein besonderes Auto wünschen?“ fragte er, „Ja, das kann man, aber dazu kommen wir später noch.“ Sie gingen eine Halle weiter, in dem die Autokarosserien lackiert wurden. Und wieder fragte Theodor: kann man sich auch ein besonderes Auto wünschen, ich meine, so ein rotes mit gelben Punkte? Das ist zwar ein außergewöhnlicher Wunsch, aber es ist machbar, sagte Herr Bölke zu ihm. „Ich habe mir dieses Jahr so ein Auto vom Christkind gewünscht.“ „Dieses Jahr?“ fragte er erstaunt. Ja, sagte Theodor mit sanfter Stimme und schaute Herrn Bölke mit glänzenden Augen an. Das ist unmöglich, Autos mit besonderem Farbwunsch sind Sonderwünsche und müssen ein Jahr im Voraus bestellt werden, damit es zur rechten Zeit ausgeliefert werden kann. Da kann auch das Christkind nichts ändern. Komm wir müssen weiter gehen, sonst schaffen wir die anderen Produktionshallen nicht, sagte ihm Herr Bölke. In Theodor brach eine Welt zusammen, er wusste nicht mehr was er denken sollte, er hatte sich doch so auf das Auto vom Christkind gefreut. Der Produktionsleiter führte Theodor noch in die Fertigung, wo die Autos nach Kundenwünschen zusammengebaut werden und zum Schluss besichtigten sie noch die Halle in der die Qualitätsprüfung durchgeführt wurde. Aber Theodor interessierte sich für nichts mehr, er nahm die Stimme von Herrn Bölke nur noch im Hintergrund wahr. Er dachte nur noch an sein rotes Auto mit gelben Punkten, das er vielleicht jetzt nicht mehr vom Christkind bekommen würde. Theodor wollte nur noch nach Hause. Am Ende der Führung durch das Automobilwerk führte Herr Bölke Theodor wieder zum Engel hin, der schon auf ihn wartete, gab ihm einige Andenken und ein buntes Kuvert mit. „Komm gut nach Hause, ich wünsch dir und deinen Eltern frohe Weihnachten!“ Der Engel brachte Theodor wieder nach Hause, legte ihn ins Bett, streute ihm feinen Sand in die Augen und flog wieder in den Himmel zurück. Auf einmal wurde Theodor aus seinem Schlaf gerissen. Die Mutter trat gerade ins Zimmer herein, setzte sich an sein Bett und streichelte über sein Haar. Was ist los mein Junge, hast Du schlecht geträumt? Ja! Und Theodor erzählte von dem schrecklichen Traum, den er hatte, dass ihn im Auftrag des Christkinds ein Engel abgeholt und zu einem Automobilwerk gebracht, und er eine Führung durch das Werk bekommen habe. Dorte teilte man ihm mit, dass Sonderwünsche ein Jahr im Voraus mitgeteilt werden müssen und er den Wunschzettel erst vor kurzem aufs Fensterbrett gelegt hatte. „Mach dir keine Sorgen mein Junge, bis jetzt hat das Christkind immer alle Wünsche der Menschen, wenn sie nicht zu groß waren, erfüllt. Der Tag schien nur langsam zu vergehen. Die Mutter richtete in der Zwischenzeit das Abendessen und der Vater las im Rottenburger Anzeiger. „Theodor, zieh dich an, wir gehen in die Kinderchristmette!“ Ich hab keine Lust. Wenn wir nicht gehen, kommt das Christkind bestimmt nicht zu uns, und das willst Du doch nicht, oder sagte die Mutter mit einem unterschwelligen Ton. „Also gut“ sagte Theodor. Als sie wieder zuhause waren, hatte der Vater das Weihnachtsessen, das seine Frau am Nachmittag für den Heiligen Abend hergerichtet hatte, schon warm gemacht und auf dem Tisch bereitgestellt. Traditionell sprach der Vater vor dem Essen noch das Tischgebet und anschließend las er die Weihnachtsgeschichte „Bescherung im Rathaus“ vor. Nach dem Essen stand die Mutter auf um an der Wohnzimmertür zu lauschen. Ich glaube das Christkind war schon da, sagte sie. „Komm mein Liebling, wollen wir gemeinsam nachschauen?“ Theodor stand auf, ging zu seiner Mutter die gerade die Wohnzimmertüre öffnete. Ein intensiver Duft von Vanille, Marzipan, Feigen, Orangen und Plätzchen strömte ihnen entgegen. In der Mitte des Raumes stand ein großer, hell erleuchteter Baum, darunter lagen die Geschenke. Komm Theodor mach deine Geschenke auf, sieh mal, die gehören alle dir!“ Er nahm ein Geschenk nach dem anderen, und packte es aus. Freust Du dich?“ fragte die Mutter. „Ja“ antwortete er etwas traurig. Und was ist mit diesem Geschenk hinterm Christbaum? Meinte der Vater. Möchtest Du dieses Geschenk nicht auspacken? Es ist etwas groß, deshalb hat es das Christkind hinter den Baum gestellt. Theodor sprang auf, lief hinter den Christbaum, zog das Geschenk vor und riss es mit seiner ganzen Kraft auf. Dabei stockt ihm der Atem. Er schrie ganz laut: „Mein Auto, mein rotes Auto mit gelben Punkten!“ „Hat dir das Christkind alle Wünsche erfüllt?“ fragten die glücklichen Eltern. „ Ja, ja, ja, ich habe alles bekommen, sogar mein rotes Auto.“ „Da ist noch ein bunter Brief dabei gelegen, der ist bestimmt wichtig!“ sagte die Mutter. Theodor machte den bunten Brief auf. „ Lies ihn uns vor, mein Junge.“ Das Bayerische Motorenwerk in Dingolfing wünscht dir lieber Theodor und deinen Eltern frohe Weihnachten und viel Spaß mit deinem neuen Auto. Unterzeichnet: Johannes Bölke.
Dann schrie Theodor ganz laut: Ich wusste es, dass das Christkind meine Wünsche erfüllt. Er schaute aus dem Fenster in den Himmel hinauf und sagte: Danke liebes Christkind, danke.
Für die Eltern von Theodor war es das größte Glück auf Erden, ihr Kind glücklich zu sehen.
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