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NIEDERRONING
Niederroning ist eine kleine Ortschaft mit einer kleinen Kirche. Bis 1872 gehörte sie zur Pfarrei Rottenburg
respektiv zur Sepultur Münster. Am 18. Februar verkaufte Greimult der Weizz von Niederroning sein Gut
daselbst an die Propstei Sandsbach. Er stiftet 1 Pfd. Regensburger Pfennige Ewiggeld an St. Jakob (Kirche
in Langquaid) und die Zechleute zu Langenmatt (Langquaid) Selbstschuld: sein Vetter Berchtold der Weiß zu
Eichersdorf, Bürge: Heinrich der Gruppmüller von der Gruppmühle (Grubmühle bei Hofendorf) (Revers aus den
Reichsarchiv W.)
1600 gehörte Niederroning mit der niederen Gerichtsbarkeit zur Propstei Sandsbach (resp. Kloster Geisenfeld).
Wahrscheinlich hat diesen Hof die Klosterfrau Jrmingardis, die eine Gräfin von Roning gewesen sein soll, ca.
1150 zum Kloster geschenkt.
Nördlichst von Hs.Nr. 5 der Ortschaft liegt das sogenannte: Glockental. Aber die Entstehung dieses
Flurnamens geht folgende Sage. Als 1632 Ergoldsbach und Rottenburg von den Schweden verbrannt wurde,
kamen die Schweden auch nach Niederroning. Sie plünderten nicht nur die Höfe der Reichen, sondern auch die
Hütten der Armen. Sogar die Glocken stahlen sie vom Turm. Als sie wieder fort waren, eilten ihnen die Einwohner
von Niederroning und anderer Ortschaften nach, holten sie ein und töteten sie und verscharrten die Leichen
in jenem Tale. Während sie das ihnen gestohlene Eigentum zurücknahmen, gruben sie die Glocke an Ort Stelle ein,
da sie fürchteten, sie könnte ihnen wieder vom Turm gestohlen werden. Das Tal heißt seit dieser Zeit Glockental.
Man hört von Zeit zu Zeit das Klingen der Glocken, aber man findet sie nicht mehr. Auf dem Turm befindet sich
einen Glocke von Jahre 1517 und eine von 1654.
1854 wurden die 20 ½ Tgw. Betragene Gemeindeholzgründe an die Anwesensbesitzer von Niederroning verteilt.
Auch die Schule in Oberroning erhielt einen Teil davon. Der Erlös aus dem abgetriebenen Walde floss in die
Ortskasse Niederroning.
Foto 2010
Kirche St. Ursula in Niederroning
Der Kirchenbau fällt in die Pestzeit zu Anfang des 16. Jahrhunderts, die Zeit nach dem Landshuter
Erbfolgekrieg von 1504/05:
Die einzige überlebende Tochter des angrenzenden Bauernhofes ließ der Überlieferung nach die Kirche zu
Ehren der hl. Ursula (Beschützerin in Not- und Kriegszeiten) erbauen.
Baujahr vermutlich 1517 - nach dem Datum der heute noch im Turm befindlichen Glocke (spätgotische
Minuskelumschrift: + o rex glorie veni cum pace + anno domini 1517).
1517 war das Jahr, in dem die Schäffler begannen, durch die von der Pest leergefegten Straßen Münchens
zu tanzen – und es war das Jahr, in dem Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger
Schlosskirche schlug!
Der Hof, auf dem die Erbauerin lebte, war bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts einer der Meierhöfe der
Grafen von Roning. Im Zusammenhang mit dem Eintritt einer gewissen Irmingardis, einer Tochter oder
Schwester Graf Konrads II., ins Kloster Geisenfeld, wurde der Hof dem Kloster geschenkt.
Bereits nach wenigen Generationen starb mit dem Tod Konrads III. im Jahre 1180 das Roninger
Grafengeschlecht aus, lebt aber in den Stammbäumen zahlreicher europäischer Adelshäuser weiter und ist
unter anderem auch in der Ahnentafel des englischen Königshauses zu finden.
Ursprünglich war eine zweite Glocke vorhanden: Diese wurde in den Wirren des dreißigjährigen Krieges,
als die Schweden 1632 plündernd und mordend durch das Laabertal zogen, von einer Gruppe schwedischer
Söldner vom Turm geholt und fortgeschafft.
Der Sage nach wurden die Glockendiebe von den Bauern von Niederroning und Umgebung verfolgt,
erschlagen und vergraben. Um einem erneuten Diebstahl vorzubeugen, vergruben sie die Glocke ebenfalls
an Ort und Stelle.
Die Glocke wurde der Überlieferung zufolge nach Kriegsende nicht mehr gefunden weil nur zwei
Einwohner Krieg und Pest überlebt hatten: Das Flurstück aber, auf dem die Glocke vergraben worden ist,
trägt seither den Namen „Glockental“.
Ein weiteres Relikt aus dem Schwedenüberfall ist ein Einschußloch in der Kirchentür:
Die zugehöre Bleikugel (geschätztes Kaliber 9 mm) wurde leider von einem übereifrigen Restaurator bei
der Renovierung 1968 entfernt!
Die verlorene Glocke wurde 6 Jahre nach Ende des 30jährigen Krieges durch eine neue Glocke ersetzt
(Umschrift am Hals zwischen zwei Rankenfriesen: S. URSULA ORA PRO NOBIS ANNO 1654).
Beide Glocken wurden im zweiten Weltkrieg als kriegswichtiges Material requiriert: Während die
kleinere Glocke bereits beim Entfernen aus dem Turm zerstört worden war, konnte die größere, ältere
nach Kriegsende auf dem Hamburger Glockenfriedhof gefunden und gerettet werden.
Bis zum Abtransport der Glocken wurde täglich zum Angelusgebet geläutet – diese Tradition hat man nach
Kriegsende nicht wieder aufgenommen.
Bis 1856 hatte die Kirche einen spätgotischen Flügelaltar aus der Erbauungszeit.
1854 gründeten der Regensburger Bischof Valentin von Riedel und der Mettener Abt Gregor Scherr den
kirchlichen Kunstverein für das Bistum Regensburg. In den folgenden Jahren wurde in der profanierten
Regensburger Ulrichskirche eine über 200 Exponate umfassende Ausstellung organisiert. Thema der
Ausstellung: „Die mittelalterliche Kunst in ihrer Anwendung zu liturgischen Zwecken“.
Weil die Flügel- oder Klappenaltäre in der Diözese nicht sehr zahlreich erhalten waren, wurde der
Niederroninger Altar als interessantes Exponat ausgewählt, nach Regensburg verfrachtet und nach Ende
der Ausstellung gegen den Willen der Niederroninger in die Kunst-sammlungen des Bistums Regensburg
eingereiht.
Nachstehende Reliefs und Tafelbilder wurden unter folgenden Nummern inventarisiert:
• 2 rundbogige Altarflügel mit gemalter Verkündigungsszene auf der Vorderseite und farbig gefassten
Reliefs von Anna und Christophorus auf der Rückseite (Inventarnummern 1981/41 und 1981/42)
• 2 rechteckige Flügel mit gemalter Verkündigungsszene auf der Vorderseite und farbig gefassten
Reliefs von Ägidius und Katharina auf der Rückseite (Inventarnummern 1981/36 und 1981/37)
• 2 rechteckige Tafelbilder mit den Apostelfürsten Petrus und Paulus (Inventarnummern 1981/72 a und
b)
Der in der Kirche befindliche Ersatzaltar stammt aus dem Rokoko und datiert, wie die Heiligenfiguren
Katharina, Veronika mit dem Schweißtuch, Margareta, Barbara und Philomena aus der Zeit um 1750.
Ursprünglich stellte die Figur der hl. Philomena wohl eine hl. Katharina dar („3-Madl-Altar“ mit
Barbara, Margaretha und Katharina!): Weil aber bereits eine hl. Katharina vorhanden war, hat man die
Figur in eine hl. Philomena umgewandelt, eine „Modeheilige“ der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Da über die hl. Philomena historisch nichts bekannt ist, wurde 1961 ihr Gedenktag, der 11. August,
wieder aus dem liturgischen Kalender gestrichen!
Die Herkunft des Ersatzaltares ist nicht überliefert, er stammt aber sicherlich aus dem reichen Fundus
der nach der Säkularisation überflüssig gewordenen Altäre!
Die Figuren stehen teilweise auf Wandpfeilern, die nur bis zur halben Wandhöhe reichen: Vermutlich
war zur Erbauungszeit der Einbau einer hölzernen Tonnendecke geplant, auf die dann aus Kostengründen
zugunsten einer Flachdecke verzichtet wurde.
Die Kirchentür inkl. Beschlägen stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert (deutlich sichtbar auf der
Rückseite), die Vorderseite wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufge-doppelt!
Von der ursprünglichen, spätgotischen Ausstattung sind neben der hl. Ursula (anstelle eines
Altarblattes, ca. 1520) zwei weibliche Heiligenbüsten (ca. 1500) erhalten.
Die Figur der hl. Ursula läßt Ansätze aus dem Formenrepertoire Hans Leinbergers erkennen und dürfte,
wie der ursprüngliche Flügelaltar mit den Reliefs von Ägidius und Katharina (s.o.) dem Landshuter
Bildschnitzer Jörg Rot zuzuschreiben sein, einem Zeitgenossen Hans Leinbergers (Jörg Rot,
Bildschnitzer und Mesner, eingebürgert in Landshut 1509, gestorben 1552).
Bei den Büsten, die aufgrund fehlender Attribute keinen Heiligen zugeordnet werden können, handelt
es sich möglicherweise um ehemalige Reliquienbüsten des früheren Flügelaltars.
Eine spätgotische Madonna mit Jesuskind aus der Zeit um 1430, die im 18. Jahrhundert barockisiert
worden war, gehörte bis zur 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Kircheninventar. Dann wurde sie vom
damaligen Pfarrer aus der Kirche verbannt weil ihn die S-förmig geschwungene Gestalt der Figur an
eine schwangere Frau erinnerte.
Die Figur fand Asyl im Kinderzimmer des benachbarten Hofes.
1906 brannte der alte, ab dem Obergeschoß aus Holz bestehende Hof ab: Als einziger Gebäudeteil blieb
der Giebel mit dem Bodenbalken erhalten, auf dem die Madonnenfigur stand. Beim Abtragen der
Brandruine wurde die verkohlte Figur von der damaligen Bäuerin mit den (mündlich überlieferten)
Worten von einem der Schuttwagen geborgen: „Die Mutter Gottes hat Freude und Leid mit uns geteilt und
soll auch weiterhin bei uns bleiben“.
Die Figur wurde anschließend unter Verwendung von viel Gips notdürftig wiederhergestellt und erst
1968/69 fachgerecht restauriert, d.h. in den spätgotischen Originalzustand zurückversetzt.
Bei Marienfesten und Maiandachten wird sie regelmäßig in der Kirche aufgestellt.
Weiterhin sind erhalten:
• Zwei Messbücher: Ein Missale von 1696 und ein Proprium von 1845
• Eine Votivtafel von 1797, auf der eine Bäuerin die hl. Ursula um Hilfe in der großen Viehseuche
anfleht, die im Gefolge der Napoleonischen Truppen über Süddeutschland hereingebrochen war.
• Eine Karfreitagsratschn
• Meßkännchen mit Tablett aus Zinn
Seit 2017 befinden sich in der Kirche zwei barocke Reliquiare mit den Reliquien der Heiligen Franz
Xaver und Aloisius von Gonzaga. Die Reliquiare stammen aus dem Anwesen Rott in Gisseltshausen, die
ursprüngliche Herkunft ist unbekannt.
Bis 1872 gehörte die Kirche zur Pfarrei Rottenburg/Sepultur Münster, anschließend zur Expositur
Oberroning.
Die Kirche wurde bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ausschließlich vom jeweiligen
Hofeigentümer unterhalten, seit 1968 werden die Renovierungen aus öffentlichen Mitteln bestritten.
Die letzten Renovierungen erfolgten in den Jahren 1968-1970 und 2000-2004.
Die Kirche stand früher auf einer kleinen Erhebung. Bei der Fundamentierung der Straßen wurde das
Straßenniveau angehoben und bei der Trockenlegung der Kirche die Erhebung abgetragen. Seither wurden
bei Renovierungsarbeiten immer wieder Skelette gefunden, deren Herkunft nicht überliefert ist.
Während die vorhandenen Sakralgegenstände darauf schließen lassen, dass früher wesentlich öfter hl.
Messen gelesen wurden, finden heute nur mehr zu folgenden Gelegenheiten Gottesdienste statt:
• Bittgang von Oberroning nach Niederroning
• Maiandacht
• Patrozinium St.Ursula am 21. Oktober
• Frauentragen in der Adventszeit
• Heilige Stunde
Weitere und ergänzende Einzelheiten sind dem Kirchenführer Mariä Himmelfahrt Oberroning (2017 Dr.
Peter Morsbach Verlag, Regensburg) zu entnehmen!
Die Kirche ist kein Museum, sondern ein Gotteshaus, das mit religiösem Leben erfüllt werden will: Wir
erwarten von unseren Nachkommen, dass sie ein Bewusstsein für unsere christlichen Wurzeln und Werte
entwickeln und unser überliefertes Erbe annehmen und bewahren!
Alfons Aiwanger im Juni 2012, ergänzt im Oktober 2019
Alfons Aiwanger ist im "Historischen Verein für Niederbayern", im "ArLan" und im
"Hans-Leinberger-Verein", Mitglied.
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