|
Das Weihnachtsfest der Imker
Zurück
Für den Imker Johann Kugler neigte sich das Bienenjahr dem Ende entgegen. Seine Bienen haben ihm viel Freude gemacht und vor allem viel Honig geschenkt.
„So, nun kann ich nicht mehr,“ sagte der Imker Johann Kugler zu sich selbst. „Meine Bienen sind winterfest. Es kann nichts mehr passieren.“ Er ging erschöpft ins Haus zurück, setzte sich an den Küchentisch und sagte zu seiner Frau Rosa: „Ich glaube, ich kann die Bienen nicht mehr versorgen. Ich bin alt geworden. 60 Jahre lang war ich ein guter Imker und habe meine Bienen immer gut behandelt und gepflegt.“ „Das glaub ich dir, Johann. Du bist jetzt schon 80 Jahre alt. Ich meine, du solltest jetzt aufhören,“ sagte seine Frau. „Ja, aber, aber wer soll sich denn um meine Bienen kümmern? Sie sind es gewohnt, dass ich jeden Tag bei ihnen vorbeischaue.“ „Es wird sich schon jemand finden, der sich um deine Bienen kümmert.“ „Meinst du, Rosa?“ „Ja, davon bin ich überzeugt.“ „Gut, ich werde in der nächsten Vereinssitzung meinen Kollegen meinen Entschluss mitteilen. Vielleicht wissen die ja jemanden, der die Bienenvölker übernimmt.“
Dazu kam es allerdings nicht mehr. Der Imker wurde schwer krank, so dass er nicht mehr in die Monatsversammlungen des Imkervereins gehen konnte. Es dauerte bis kurz vor Weihnachten, bis er wieder einigermaßen gesund wurde. Seither musste er jedoch im Rollstuhl sitzen.
Seine Frau Rosa lud zwei Wochen vor Weihnachten alle Kinder und Enkelkinder zum Familienkaffee ein. Sie hatte dabei eine kleine Hoffnung. Als die Kinder und Enkelkinder mit Oma und Opa gemütlich im Wohnzimmer saßen, fing der Imker mit leiser Stimme zu sprechen an: „Meine lieben Kinder, ich muss euch etwas sagen.“ Zugleich fing Johann Kugler zu weinen an. „Opa, Opa, was hast du denn? Hast du Schmerzen?“ „Nein,“ sagte seine Frau Rosa zu den Kindern. „Wie ihr wisst, war Opa schwer krank und ist seitdem an den Rollstuhl gefesselt. Das heißt, er kann nicht mehr zu seinen Bienen in den Garten gehen. Und deshalb ist er jetzt sehr traurig. Die Bienen waren sein Lebenselixier. Wie ihr wisst, war auch er krank, wenn seine Bienen krank waren. Deshalb tut es ihm besonders weh, dass er nichts mehr alleine machen kann. Jetzt fällt mir da was ein, Eric. Möchtest Du nicht die Bienen von deinem Opa übernehmen?“ „Ich!“, rief Eric ganz erstaunt. „Ja, du. Du hast doch Opa schon oft zugeschaut, wenn er bei seinen Bienen war.“ „Ja, zugeschaut schon, aber sonst hab ich da nichts gemacht. Ich habe eigentlich Angst vor den Bienen. Nein, ich möchte mit den Bienen nichts zu tun haben. Nein, danke.“
Johann Kugler senkte traurig den Kopf, als er das Nein seines Enkels hörte. „Ist das dein letztes Wort, Eric? Willst du dir das nicht doch noch einmal überlegen? Opa würde sich riesig freuen,“ sagte Rosa mit trauriger Stimme zu ihrem Enkel Eric. „Nein, ich kann das nicht.“ „Ja, dann müssen wir eben weitersuchen, bis wir einen geeigneten Nachfolger gefunden haben, der Opas Bienen übernimmt.“ Rosa gab nicht so schnell auf. Es wäre doch gelacht, wenn sie es nicht fertigbrächte, ihren Enkel doch noch zu überzeugen, Imker zu werden und die Bienen von seinem Opa zu übernehmen. Am nächsten Tag ging Frau Kugler zum ersten Vorsitzenden des Imkervereins in der Stadt, Herrn Hans Leisner, und erklärte ihm die Situation. „Liebe Frau Kugler, bitte lassen Sie mir ein paar Tage Zeit. Ich werde mir etwas überlegen. Ist das in Ordnung für Sie? Schreiben Sie mir doch zur Sicherheit die Adresse ihres Enkels auf.“ „Vielen Dank, Herr Leisner, vielen Dank,“ erwiderte sie.
Es dauerte tatsächlich nicht lange und Herr Leisner meldete sich bei Frau Kugler. Er schilderte ihr, was ihm zum Imkerkollegen ihres Mannes eingefallen ist. Er bat sie zur höchsten Geheimhaltung, auch gegenüber allen Familienmitgliedern. Frau Kugler versicherte es ihm. Zwei Tage vor dem Heiligen Abend hatte es in der Nacht fürchterlich geschneit. Man konnte kaum die Straße erkennen. Johann Kogler saß mit seiner Frau am Frühstückstisch, als das Telefon klingelte. „Ich geh schon ran, Johann,“ sagte seine Frau etwas erschrocken. Leise und mit vorgehaltener Hand tuschelte sie einige Minuten in den Telefonhörer. „Ja, ja, in Ordnung. Ja, vielen Dank, Herr Leisner, vielen Dank.“ Rosa Kugler legte den Telefonhörer wieder auf und setzte sich zu ihrem Mann zurück an den Frühstückstisch. „Was wollte denn der Vorsitzende des Imkervereins schon so früh von dir?“ fragte er seine Frau etwas verwundert. „Ach, nichts Besonderes. Er meinte nur, dass er heute mit einigen Vereinskollegen vorbeikommen würde, um die Bienenkästen vom Schnee zu befreien.“ „Das ist ja nett. Meinst du nicht auch?“ „Ja, das ist wirklich nett, dass die Vereinskollegen helfen, da du ja alleine nicht mehr zu deinen Bienen in den Garten gehen kannst.“ „Ja, das war für mich schon ein Schock, als Eric sagte, dass er nichts mit meinen Bienen zu tun haben möchte. Das hat mich schon sehr traurig gemacht.“ „Mach dir nichts draus. Vielleicht ändert sich alles schneller als du es dir erträumen kannst, Liebling“, sagte daraufhin seine Frau Rosa zu ihm.
Nachmittags legte sich Johann Kugler etwas hin, denn er fühlte sich heute nicht so gut. Der Gedanke, dass sein Enkel sich nicht im Geringsten für die Bienen interessierte, machte ihn schon sehr traurig. Plötzlich wurde er wach. Seltsame Geräusche drangen durch das Fenster herein. „Rosa, Rosa,“ rief er laut aus dem Zimmer. „Was ist denn da draußen los?“ Seine Frau kam gleich zu ihm ins Zimmer und beruhigte ihn. „Es ist nichts Schlimmes. Deine Imkerkollegen sind da, um die Bienenkästen vom Schnee zu befreien. Das weißt du doch. Komm, wenn du möchtest, gehen wir nach draußen. Dann kannst du dich bei ihnen bedanken. Ist das in Ordnung für dich, mein Schatz?“ „Ja, natürlich. Hilf mir doch bitte kurz beim Anziehen.“
Fünf Minuten später fuhr Frau Kugler ihren Mann in den Garten hinaus, wo seine Imkerkollegen mit ihren Frauen schon auf ihn warteten. „Sieh mal, Rosa, der gesamte Verein ist gekommen. Ist das nicht schön? Und schau mal, der Eric ist auch dabei. Rosa, bitte halt meine Hand. Ich glaub, mir ist schlecht.“ Der erste Vorsitzende begrüßte seinen Imkerkollegen im Namen des Vereins und erklärte ihm, dass sie beschlossen hätten, das diesjährige Weihnachtsfest in seinem Garten zu feiern, wenn es ihm recht wäre. Johann war sehr gerührt. „Wir haben nichts vorbereitet. Ich kann euch doch gar nichts anbieten.“ „Lass nur, Johann, ich habe mich bereits um alles gekümmert,“ sagte seine Frau. „Komm, wir gehen alle gemeinsam zu deinen Bienen und feiern Weihnachten.“ Johann schaute in die Augen seiner Frau und sagte leise: „Danke, mein Schatz!“
„So, meine Herrschaften, greifen Sie zu, Glühwein, Stollen und Weihnachtsplätzchen sind reichlich vorhanden. Und, Eric, du bekommst einen Kinderpunsch“, sagte Rosa. Während sich alle gemütlich unterhielten, ging Enkel Eric zu seinem Opa und sagte: „Lieber Opa, mir tut es leid, als ich dir sagte, dass mich deine Bienen nicht interessieren. Aber ich hatte so viel Angst davor, dass ich es nicht alleine schaffe. Als die Oma mir dann später sagte, dass der Bienenzuchtverein mir hilft, habe ich es mir nochmal überlegt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich deine Bienenvölker übernehmen möchte.“ „Du bist ein lieber Junge. Rosa, hast du das gehört? Eric möchte meine Bienen übernehmen und will Imker werden.“ Voller Tränen in den Augen umarmte er seinen Enkel und sagte ihm: „Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk, das du mir je machen konntest. Ich liebe Dich über alles, mein Junge!“ Alle freuten sich mit Johann Kugler, besonders aber seine Frau Rosa, die alles in die Wege geleitet hatte. Am Ende der Weihnachtsfeier erzählte Eric eine Weihnachtsgeschichte über Bienen. Der erste Vorsitzende des Bienenzuchtvereins bedankte sich bei Familie Kugler für die gelungene Feier und betonte, dass dies die schönste Weihnachtsfeier war, die der Verein erleben durfte. Anschließend sangen alle gemeinsam das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Es fing zu schneien an. Alle gingen selig nach Hause und feierten mit ihren Familien Weihnachten, das Fest der Liebe.
Zurück
|