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Kellerhaus
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Im Kellerhaus eröffneten die Herren Zitzelsberger und Marx im Jahre 1924 ein Haushaltswarengeschäft,
das hinter den zwei unteren Toren links im Haus untergebracht war. Zur gleichen Zeit wurde am 30. März
im Münchner Verkehrsministerium die erste Radiosendung ausgestrahlt, so dass die Herren in ihrem
Geschäft das erste Radio in Rottenburg aufstellten und auch gut verkauften. Leider trennten sich die
Herren Zitzelsberger und Marx im gleichen Jahr und das Geschäft wurde nach einigen Jahren geschlossen.
Anzeige aus dem Jahre 1924
Foto aus den 50er Jahren
Erstes Radio in Rottenburg
Nun hat das Radio auch in Rottenburg seinen Einzug gehalten. Die Firma Zitzlsberger & Marx hat in ihrem
Geschäft einen Radioapparat aufgestellt. Für einen großen Prozentsatz unserer Bevölkerung ist das Radio
noch ganz was Unbekanntes. Die Zuhörer können ein deutsches, englisches oder französisches Konzert, oder
den Vortrag anhören. Das Anhören der menschlichen und musikalischen Stimme klingt prächtig, wenn man den
sogenannten Kopfhörer ans Ohr setzt. Bewundernswert ist eigentlich weniger die Wiedergabe
eines Konzertes, als vielmehr die Erfindung selbst. Es wäre die Erfindung schon groß genug, wenn sie uns
die Wiedergabe nur eines Akkordes oder nur eines menschlichen Wortes ermöglichen würde. Man denke nur,
in München oder London spricht jemand einen Satz oder spielt jemand einen Akkord und flugs im gleichen
Augenblick ist dieselbe Stimme oder derselbe Ton ohne Drahtvermittlung in Rottenburg hörbar. Der
menschliche Geis rastet nicht und es ist nur bedauerlich, dass mit dem Fortschreiten der Kultur und den
Erfindungen nicht die echte Kultur fortschreitet. Die Firma Zitzelsberger & Marx, die jetzt auch eine
Radiovertretung der Deutsch - Österreichischen – Handels – Gesellschaft hat, ist jeder Zeit gerne bereit,
Interessenten den Apparat vorzuführen.
Ausschnitt aus einer Postkarte aus dem Jahre 1925
Anzeige aus dem Jahre 1924
Diese Rundfunkzeitschrift konnte man 1927 im Radiogeschäft für 50 Pfennig kaufen
Diese Radiozeitung kostete 1928 20 Pfennig
Das erste Radio in der Zeit bitterster Not
Man schrieb das Jahr 1923 als die Inflation herrschte und über das deutsche Volk eine schwere wirtschaftliche
Not hereingebrochen ist. Man denke, dass damals das wöchentliche Abonnement der Heimatzeitung „Rottenburger
Anzeiger“ 1 Milliarde Mark betrug. Und in dieser Zeit war die Geburtsstunde des Radios. Der Rottenburger
Anzeiger war das Organ, das die Leser über die Ereignisse in der Welt in der Heimat informierte.
Was lag da näher als dass auch in der Redaktionsstube der Heimatzeitung das erste Radio stand. Neben den
Nachbarn und den Bekannten waren auch wir Kinder begeistert, wenn der Verleger und Redakteur Max Herzog
zum „Mithören“ einlud. Wenn man auch nur ganz leise die Sprache und Musik vernahm, so war doch das erste
Radio eine große Sensation. In späteren Jahren kamen dann die aktuellen Welt- und Tagesnachrichten von
Presseagenturen per Schreibfunk in die Redaktion des Rottenburger Anzeigers.
Von der langen Antenne die damals benötigt wurde, steht heute noch der hölzerne Antennenmast. Auch das
Schreibfunkgerät (Hellschreiber) ist noch in Besitz des Verlages. (Steht heute im Radiomuseum)
1995 - Theodor Herzog Buchdruckereibesitzer, Verleger und Redakteur des Rottenburger Anzeigers
Beiblatt im Rottenburger Anzeiger
Die Familie Bindl 1925, Radiohören war ein Genuss
Ältestes Foto von Rottenburger Radiohörern aus dem Jahre 1925
Ich erinnere mich noch gerne, wie es früher in Rottenburg war. Es war damals eine schöne, aber auch
eine schwere Zeit. In meiner Erinnerung spielte mein Vater Martin Bindl immer eine große Rolle. Er
war von den damals aufkommenden technischen Dingen stets begeistert, sie zu benutzen war sein größter
Wunsch. Als er von den neuen Geräten hörte, mit denen man sogar Musik aus großen Fernen hören konnte,
kaufte er sich so ein Ding, das man Detektor nannte. Das war 1925 und somit zählten wir mit zu den
ersten Radiohörern in Rottenburg. Ich war sofort von dem Apparat begeistert, trotzdem konnte ich mir
nicht vorstellen, dass aus diesem komischen Kasten Musik und Sprache kommen sollte, weil man ja nichts
sah. Weil mein Vater auch damals schon fotografierte, kam eines Tages dieses Bild zustande. Sie sehen
auf dem Bild von links meine Mutter, meinen Vater, meinen Cousin, meine Tante und mich. Ich war damals
9 Jahre alt. Wir hatten im Wohnzimmer (Schulstr.3) eine Tabakkommode, auf dieser stand der Empfänger.
Eine Leitung ging an den Wohnzimmertisch zu dem Verteiler. Dort konnte man vier Kopfhörer anschließen.
Mein Vater war Justizoberinspektor und Rechtspfleger am Amtsgericht Rottenburg. Er war in mehreren
Vereinen aktiv, dadurch hatte er mit vielen Menschen Kontakte, welche er auch immer pflegte. Seit es
bei und das Radio gab, war immer etwas los. Vater ließ viele Rottenburger an dem neuen Erlebnis
teilhaben. Er lud sie zum Radiohören ein und erklärte mit Begeisterung wie das Gerät funktioniert.
Freunde und Gäste waren stets beeindruckt und von dem „Ding“ fasziniert.
Erlebt und erzählt von Anna Kellner, geb. Bindl
Aufgeschrieben von Franz Moises Rottenburg
Anzeige aus dem Jahre 1935
Das Radio hält seinen Einzug
Ein neues Wunder der Technik erweckt das Aufsehen der Menschen, das Radio. In unserem Markt taucht
dieses sonderbare Gerät bald nach der Inflation auf. Das Elektrogeschäft Zitzelsberger & Marx hat im
Kellerhaus an der Pfarrstraße ein Ladengeschäft eingerichtet. Eine Hochantenne, die man am Kirchturm
befestigt, wird aufgespannt. Und da sitzen nun allabendlich zunächst nur Prominente mit den Kopfhörern
als Gäste vor dem Wundergerät, das Musik von einem deutschen Sender, ja sogar aus Paris überträgt.
Zum erstenmal durch den Kopfhörer, Musik aus weitester Entfernung über den Äther genießen, macht einen
unvergesslichen Eindruck. Bald hatte ich hierzu Gelegenheit. Langsam werden die Radioapparate gekauft,
weil man eine sprunghafte Entwicklung und Verbesserung der Geräte erwartet. 1928, also im ersten Jahr
nach meiner Verheiratung, stand in unserer Wohnküche auch das Radio. Es war ein Blaupunktgerät mit
Batterie und einem Lautsprecher. Verhältnismäßig wenige Geräte standen damals noch in unserem Markt.
Wenn wir Sonntag mittags unseren Radio bei der Übertragung des Münchner Rathaus - Glockenspiels oder
in den Sommermonaten abends ans Fenster stellten, hatten wir Zuhörer in der ganzen Pfarrgasse. Der
Münchner Sender, der ein gutes und vor allem ein bayerisches Programm brachte, meldete sich seinerseits
als „Deutsche Stunde in Bayern“. Das zweite Gerät kauften wir uns 1930. Dieses wurde schon ohne Batterie
nur von der elektrischen Leitung betrieben. Bis zum Kriegsausbruch 1939 tat dieses gute Rundfunkgerät
getreulich seinen Dienst. Heute ist der Rundfunk eine Selbstverständlichkeit; einst war er uns eine große
Sensation.
Hans Gößwald 1900-1975
Rottenburger Schulen mit Rundfunkgeräten versorgt
Dank der Initiative des gemeindlichen Schulreferenten GR. Herrn Lehrer Schneider, konnten die im vorigen
Jahr begonnenen Bemühungen, jeder einzelnen Schule im Markt ein Schulrundfunkgerät zukommen zu lassen,
nunmehr abgeschlossen werden.
Während die Mädchenschule im Vorjahr ihr Gerät erhielt, folgten zwischenzeitlich die übrigen Schulen
nach und als letzte konnte am Donnerstag die hiesige evangelische Bekenntnisschule ihren Apparat
in Empfang nehmen. Es lässt sich denken, dass die Freude unserer Schüler und Schülerinnen an diesen
neuzeitlichen Unterrichtsmitteln sehr groß ist. Nebenher sei verzeichnet, dass man gleichfalls
noch einem zweiten Mangel abhelfen konnte. Auch die katholische Knabenschule hat nun ihren Wechselstrom,
dessen Fehlen sie mitunter arg ins Hintertreffen brachte. Es ist somit möglich, künftig jede Art von
Radio-Vorführung auch in diesem Schulgebäude abzuhalten.
Rottenburger Anzeiger 1953
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