|
Geburtshaus von Max Ritter von Müller
Zurück
Geburtshaus von Max Ritter von Müller. Vor der Haustür Max Ritter von Müller und links neben ihm sein Vater.
Das Haus wurde im Jahre 2012 abgerissen.
Max Ritter von Müller
Bayerns erfolgreichster Jagdflieger im 1. Weltkrieg
Max Ritter von Müller wurde am 1. Januar 1887 in Rottenburg a.d. Laaber als Sohn des Güterhändlers Max
Müller und dessen Ehefrau Margaretha, geb. Wiesmüller geboren und wuchs mit 8 Geschwistern auf. Nach
seiner Schulzeit erlernte er bei Schlossermeister Lechner in seinem Heimatort das Schlosser- und Spengler
Handwerk. In seiner Freizeit bereitete ihm Turnen und Sport eine große Freude. Im Anschluss an seine Lehrzeit
ging er auf Wanderschaft und arbeitete in Dorfen, Traunstein und Dachau, bis er mit 20 Jahren die militärische
Laufbahn einschlug. Er meldete sich freiwillig zum Militär und trat am 18.10.1907 in die 6. Kompanie des 1.
Königlich Bayerischen Infanterieregiments in München ein. Am 1.10.1911 wurde er zur Kraftfahrkompanie versetzt.
Mit dem 1.12.1913 ging für Max Ritter von Müller ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Er wurde in der neugeschaffenen
Militärfliegerei in Schleißheim als Flugschüler aufgenommen. Nach nur wenigen Monaten der Ausbildung erhielt
er am 20.04.1914 das Flugzeugführerabzeichen. Er flog noch einige Einsätze im Frieden und wurde nach Ausbruch des
1. Weltkrieges am 2.08.1914 zur Feldfliegerabteilung 1b abkommandiert. Nach über 200 Beobachtungs- und Bombenflügen
schulte Max Ritter von Müller in Mannheim auf Kampfeinsitzer um. Am 17.5.1916 kam er zur Kampfstaffel Nord und am
1.9.1916 zu der von Oswald Boelke neu aufgestellten Jagdstaffel 2 (Boelke-Staffel). Am 17.1.1917 wurde er zur Königlichen
Württembergischen Jagdstaffel 28 versetzt und kehrte am 29.10.1917 zur Boelke-Staffel zurück.
Mit seinen 38 Luftsiegen als Jagdflieger wurde Max Ritter von Müller Bayerns erfolgreichster Kampfflieger im 1. Weltkrieg
und ist als Erster unter Millionen Soldaten aus dem Mannschaftstand zum Offizier aufgestiegen.
Am 9.1.1918 stieg Max Ritter von Müller zu seinem letzten Luftkampf auf. Er verfolgte einen englischen Zweisitzer.
Das Flugzeug, eine R.E.8, war mit einem Piloten und einem Beobachter besetzt. Der Beobachter feuerte auf die Albatros
D.V Nr.5405 von Max Ritter von Müller. Sein Flugzeug geriet daraufhin in Brand. Um den Flammen zu entgehen, verließ
Max Ritter von Müller in 400 m Höhe sein brennendes Flugzeug und sprang bei Moorslede in Belgien in den Tod.
Nach seinem Tod wurde er rückwirkend zum 7.11.1917 zum Ritter des Militär-Max-Joseph-Orden befördert.
Am 19.1.1918 wurde Max Ritter von Müller, der erfolgreichste bayerische Kampfflieger im 1. Weltkrieg, auf dem
Bergfriedhof Rottenburg begraben.
Max Ritter von Müller im Jahre 1907
Seine Mutter, Margaretha Müller geb. Wiesmüller
Sein Vater, Max Müller
Im 1. Inf. Regiment
In der Kraftfahrkompanie
Max Ritter von Müller am Steuer einer Ottomaschine
Max Ritter von Müller auf seiner Albatros
Boelke-Staffel
Von links nach rechts: Leutnant Sandel, Max Ritter von Müller, Manfred von Richthofen (roter Baron),
Leutnant Günther, Oberleutnant Kirmaier (Staffelführer), Leutnant Höhne, Leutnant Wortmann und
Leutnant Collin
Max Ritter von Müller als Leutnant mit dem Pour le Merite, mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse und dem Flugzeugführerabzeichen.
Max Ritter von Müller –links sitzend- mit Offizieren der Jagdstaffel 28
1. Erinnerungsabzeichen
2. Bayer. Militärverdienstmedaille (in Silber 18.2.1916, in Gold 16.9.1917)
3. Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit Krone und Schwertern (14.1.1915)
4. Eisernes Kreuz 2. Klasse (13.9.1914)
5. Württembergische goldene Militärverdienstmedaille (28.6.1917)
6. Hausorden von Hohenzollern mit Schwertern (20.7.1917)
7. Prinzregent-Luitpold-Medaille (12.3.1911)
8. Dienstauszeichnung 3. Klasse (30.3.1916)
9. Eisernes Kreuz 1. Klasse (31.3.1915)
10. Militärverdienstorden 4. Klasse mit Schwertern (18.12.1917)
11. Pour le merite (3.9.1917)
12. Militär-Max-Joseph-Orden (rückwirkend zum 7.11.1917)
13. Flugzeugführerabzeichen (20.4.1914)
Anzeige im Rottenburger Anzeiger aus dem Jahre 1918
Fliegerleutnant Max von Müller tödlich abgestürzt.
Rottenburg, 16. Januar 1918
„So lautete die traurige telegraphische Nachricht, die uns am 10. Januar vormittags so schrecklich
überraschte, die so bleich von Mund zu Munde ging, uns die Ruhe nahm, das Herz beschwerte,
unglaublich erschien, weil wir sie nicht fassen konnten, war er doch erst noch so froh und munter
bei uns gewesen, hatten wir ihm doch alle am Neujahrstage die innigsten Glückwünsche mitgegeben,
als er wieder ins Feld ging zu weiteren Kämpfen, Siegen und Ehren um leider nicht mehr
wiederzukehren. Er war uns ein schöner Traum. Als Knaben kannten wir ihn, ist er mit uns in die
Schule gegangen, war uns lieb und wert wegen seines herzensguten, friedliebenden Wesens, war ein
braver und strebsamer Schüler, der Liebling seines Lehrers. Dann erinnern wir uns des munteren
Schlosserlehrlings bei Schlossermeister Lechner, der damals schon am Kirchturm in Oberroning bei
Eindeckung des Kupferdaches wegen seines Wagemuts das Staunen der Bauleute und Zuschauer erregte.
Nirgends fehlte der Maxl, wo es lustig herging. Seine Freude war der Turnverein, dem er durch seine
außerordentliche Gewandtheit und Turnkunst zu hohen Ehren gereichte und nach fröhlichen Turnfahrten
immer nur erste Preise mit nach Hause brachte. Wir jammerten um den frohen Gesellen, als er auf die
Wanderschaft ging und bald darauf die militärische Laufbahn ergriff. Oft kam er – und blieb uns von
Herzen zugetan.
Militär war Max Müller mit Leib und Seele. Seine Kameraden liebten, seine Vorgesetzten schätzten
ihn. Dienstlich wie außerordentlich war er Muster und Vorbild. Mit Freude erzählte er, dass er
insbesondere auch durch seine Begabung bei Arrangierung von Theatern und lebenden Bildern „der
Liebling seines Regiments“ geworden war.
Da kam der menschenmordende Weltkrieg. Max Müller zog als Sergeant der bayerischen
Fliegerabteilung 1 ins Feld, nachdem er von der Kraftfahrerabteilung abkommandiert und sein
Herzenswunsch, zu den Fliegern zu kommen und alsbald mit stolzem Flugzeug die Lüfte zu
durchkreuzen, in Erfüllung gegangen war. Schon war er wegen seiner Tüchtigkeit zum Vizefeldwebel
befördert, als der Neid einiger Kameraden, die sich übergangen fühlten, herausbrachte, dass er
der Fliegerabteilung noch gar nicht angehörte, sondern nur von der Kraftfahrerabteilung
abkommandiert war, somit auch nicht bei der Fliegerabteilung befördert werden konnte. Einen Tag
nur, erzählte er später mit Vergnügen, hat der schöne Traum vom Vize damals gedauert. Aber er kam
dann endgültig zur Fliegertruppe und flog zwei Jahre lang als Bomben- und Aufklärungsflieger. Da
Helden, wie Immelmann und Bölcke, mit ihrem Ruhm die Welt erfüllten, ließ es ihm keine Ruhe mehr,
er wollte auch so einer werden. Wenn ich meinen Hauptmann dann wieder einmal gut geführt und wir
einen erfolgreichen Aufklärungsflug hinter uns hatten – so erzählte er – stand ich wieder still:
„Bitte, Herr Hauptmann“. „Was wollen Sie denn schon wieder, Müller?“ „Bitte Herrn Hauptmann zu
den Kampffliegern übertreten zu dürfen“. „Ach, was fällt denn Ihnen schon wieder ein, das ist
nicht für Sie, wir können Sie nicht fortlassen, wir brauchen Sie“. Doch Müller ließ sich nicht
abhalten. Beim nächsten Flug war er mit der gleichen Bitte schon wieder da und mochte er auch
immer vergeblich bitten, er ließ nicht nach. Als er dann zum Vizefeldwebel befördert wurde, und er
wieder einmal seine Bitte vorbrachte, meinte der Hauptmann: „Was wollen Sie denn eigentlich noch
werden, mit dem Feldwebel ist doch Ihre Karriere aus“. Aber Max Müller gab keine Ruhe, bis ihm der
Hauptmann endlich einmal sagte: „Nun probieren Sie es halt einmal mit einem Kampfflugzeug, dann
werden Sie bald genug haben“. Der Hauptmann dachte wohl, auf diese Weise des Bittstellers sich
entledigen zu können in der Hoffnung, dass er von dem Kampfflugzeug bald satt haben und dann seine
Träume aufgeben werde. Es war auch wenig behaglich, erzählte Leutnant Müller beim letzten
Hiersein, es hat ihm anfangs gar nicht recht gut bekommen und er hätte fast lieber gesagt, die
Geschichte bleiben zu lassen, aber der Ruhm eines Immelmann und Bölcke und sein Ehrgeiz ließen
ihn nicht ruhen, er fühlte die Kraft in sich, es diesen gleich zu tun. So wurde ihm denn
gestattet, sich als Kampfflieger auszubilden. Er kam zur Jagdstaffel Bölcke. Ein halbes Jahr hatte
er sich schon bemüht, einen feindlichen Flieger abzuschießen. Vergeblich, er kam an keinen derart
heran, um sich auf ihn stürzen zu können. Schon wollte er verdrießlich werden, und Bölcke
beruhigte ihn, indem er zu ihm sagte: „Sie haben geleistet genug, Müller, Sie können in Ehren
gehen. Wenn Sie auch keine abgeschossen haben, es war schon etwas wert, dass Sie da waren und
einen Gegner stellten, wenn sich einer an Sie herangewagt hätte“. Da kam er endlich einmal einem
so nahe, dass er glaubte, sich auf ihn stürzen zu können, er erfasste den rechten Augenblick und
schoss ihn ab. Nun war das Spiel gewonnen, er hatte es heraus, wie man abschießt und nun ging es
im Fluge dahin. In der Sommeschlacht war es anfangs schlecht bestellt. Der Feind hatte die
Herrschaft in den Lüften, deutsche Flieger waren zu wenig. Hier hat er an Seiten Bölckes gefochten,
hier war er Bölckes rechte Hand. 20-30 Luftkämpfe hat er oft im Tage mit Bölcke zusammen bestanden.
Es waren die reinsten Dauerschlachten. Mit Befriedigung erzählte er von diesen Zeiten, es waren
schwere Tag für unsere Kampfflieger, gegen eine überwältigende Übermacht standzuhalten und
aufzukommen. Mit den sich mehrenden Luftsiegen häuften sich Ehren und Auszeichnung. Das Eiserne
Kreuz 2. u. 1. Kl. die goldene u. silberne bayerische Tapferkeitsmedaille, die württembergische
goldene Tapferkeitsmedaille, das Kreuz der Inhaber des Hausordens der Hohenzollern, der bayerische
Militärverdienstorden 4. Klasse mit Schwertern, das bayerische Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit
Krone und Schwertern, die Prinz-Regent-Luitpold-Medaille, das Dienstauszeichnungskreuz 2. Klasse
zierten seine Brust. Auch wurde er zum Offiziersstellvertreter befördert und nach 18 Flugzielen
mit dem höchsten deutschen militärischen Orden „Pour le merite“ ausgezeichnet. Nach Abschuß des
20. Gegners wurde sein Name zum erstenmale im Heeresbericht erwähnt, nach dem 27. Luftsieg wird
er zum aktiven Leutnant befördert. Damit hatte er die höchste einzigartige Auszeichnung erreicht,
die einem von der Pieke auf gedienten Soldaten ohne höhere Vorbildung zu teil werden konnte. Es
war dies eine ungewöhnliche Ehrung, der erste Fall in diesem Kriege, dass ein Soldat zum aktiven
Offizier befördert wurde. Seitdem wurde sein Name öfter im Heeresberichte erwähnt, das letztemal
nach seinem 36. Luftsiege. Insgesamt hat er anerkanntermaßen 38 Gegner im Luftkampfe besiegt. Von
der berühmten Jagdstaffel Bölcke war er allein noch übrig. Nur Richthofen war ihm unter den noch
lebenden Kampffliegern an Luftsiegen voraus. Sein Name ist in aller Welt gerühmt, er galt als
Schrecken seiner Feinde, ein hoher Preis war auf seinen Kopf gesetzt. Tausende von Zuschriften
aus Deutschland und Österreich kamen ihm zu, so dass er viele selbst nicht erledigen konnte, sie
von Hilfskräften erledigen ließ und nur seine Unterschrift darunter setzte.
An drei Millionen Ansichtskarten mit seinem Bilde sind in den Verkehr gekommen. Wenn er in Urlaub
in fremde Städte kam und auf der Straße ging, wenn er ein Lokal betrat, flüsterte sich alles zu:
„Das ist der Müller“. Als Held der Luft ist er gestorben, ob durch Unfall oder besiegt vom Gegner,
ist uns bis zur Stunde nicht bekannt. Mit ihm starb der Besten einer, die unser Vaterland in
diesem furchtbaren Weltkrieg hervorgebracht, unvergänglich wird sein Ruhm fortleben in der
Geschichte unseres Volkes.
Dem lieben Heimatmarkt Rottenburg im schönen Laabertale, dessen Ehrenbürger er war, trifft sein
Hingang doppelt schwer. War doch durch ihn der bescheidenen Heimat Name in alle Welt gedrungen,
hat Rottenburg doch ein Anrecht stolz auf ihn zu sein, wie Dresden und Leipzig stolz sind auf
ihren Immelmann und Bölcke. Aber noch schwerer fast trifft uns sein Hingang als Mensch, der auch
in der Sonne seines Glückes und Ruhmes stets der Gleiche geblieben war, seine Mitbürgern von
ganzem Herzen zugetan blieb, jedes Kind ansprach und grüßte, seinen alten, schwer geprüften Vater,
seine ehemaligen Lehrer und Meister ehrte, wie er nur konnte, seine Schulkameraden und Mitbürgern
ein treuer Freund war, der jedem von Herzen gern geholfen hätte, wie er nur hätte helfen können.
Wer ihn kannte, der mußte ihn lieben, er war einer jener wenigen, dessen Gedächtnis nie erlischt,
wenn man ihn einmal kennen gelernt hatte. Liebes Rottenburg ! Er war Dein schönstes Gestirn,
seitdem Du bist ! Nur allzu kurz hat es lebendig gestrahlt, aber sein Glanz ist nicht erloschen,
denn unsterblich ist sein Ruhm. Der Name des Fliegerleutnants Max Müller und durch ihn seine
Heimat Rottenburg a. L. wird weiterstrahlen bis zum Ende der Zeiten, an seinem Grabe trauert das
ganze deutsche Vaterland.“
Rottenburger Anzeiger
Sterbebild des Gefallenen
Die sterbliche Hülle des Max Ritter von Müller kommt am Bahnhof von Rottenburg an.
In einem Trauerzug wird der Gefallene durch die Straßen zum Bergfriedhof getragen.
Aus dem Rottenburger Anzeiger vom 23.1.1918
Beerdigung des Fliegerleutnants Max Müller.
Trauerrede vom 19.1.1918
"Trüb war der Himmel, er weinte stille Tränen. Wir weinten mit; Fliegerleutnant Max Müller sollte
zur Erde bestattet werden. Schon früh morgens sah man da und dort an den Häusern die Fahnen sich
entfalten, mit Trauerflor umhängt, ein düsteres, ungewohntes Bild. Mittags gegen 11 Uhr traf ein
Sonderzug von Landshut ein mit 20 Offizieren, einer vollständigen Militärmusik und einer
Ehrenkompanie von 50 Mann. Sie nahmen Aufstellung vor dem Elternhause, wo die Leiche aufgebahrt
war. Gegen 11 Uhr, als der Trauerzug sich in Bewegung zu setzen begann, erschienen über dem Markte
5 Flieger mit deutlich erkennbaren Trauerschleifen und kreisten über dem Elternhause und dem
Markte. Nachdem die Geistlichkeit die Leiche ausgesegnet hatte, wurde der Sarg von vier Fliegern
auf die Bahre gelegt und getragen, je 3 Mann Ehrenwache gingen rechts und links vom Sarg. Beim
Heraustritt aus dem Hause ertönte der Präsentiermarsch, die Ehrenkompanie präsentierte Musik und
der voranschreitenden Ehrenkompanie, folgte der Sarg mit Ehrenwache, die Geistlichkeit, die
Kranzträger, Fliegerleutnant Schröder von der Jagdstaffel, Bölke mit den Ordensinsignien, darauf
der Vater mit den Brüdern und nächsten männlichen Verwandten des gefallenen Helden, das
Offizierskorps, die Beamten von Rottenburg, Magistrat und Gemeindekollegium mit Bürgermeister
Lechner und zum Schlusse in den Lüften, das feierliche Geläute der Glocken. Die erhebenden Weisen
des Trauermarsches der Militärkapelle tönten zusammen in sonderbarer Harmonie und erhöhten die
ungewöhnliche Trauerstimmung der Leidtragenden, die zusammen mit dem trüben, leise weinenden
Himmel und den schwarz umflorten Flaggen an den Häusern das Bild tiefster Niedergeschlagenheit
den in bitterem Leide tränenden Augen der Zuschauer boten. Rottenburg! Solches Leid hat dich noch
nie erfüllt, solche Trauer sahst du nie – dem Trauerzuge folgte ja im Geiste das ganze deutsche
Volk, eine unendliche Reihe dankbarer Beter, die durchdrungen von der Bedeutung des Mannes, dem
hier das Trauergeleite gegeben wurde, der ein Held war im Leben, ein Held im Tode. Trauernd,
deutsches Volk, geleitetest du deinen Max Müller – das war der tiefe Eindruck, der sich auf allen
Gesichtern widerspiegelte.
Auf dem Wege zum Friedhof wurde der Leichenzug mehrmals photographisch aufgenommen, darunter von
einem Photographen, der für die Woche und Münchner Illustrierte Aufnahmen fertigte, das letzte
Geleite des Fliegerhelden Max Müller, des Siegers in 39 Luftschlachten, sollte der Nachwelt
überliefert werden.
Der Zug gelangte in den Friedhof, die Flieger, kreisten kreischenden Raben gleich über dem Grabe,
der Sarg sank in die Gruft. Drei Salven der Ehrenkompanie begleiteten ihn, drei ächzende Salven
schmetterten wie derlei gewaltige Schmerzensrufe hinaus in das Reich der Lüfte, das er einst einem
stolzen Aara gleich durchmaß und die Lüfte schwangen mit und trugen die Schmerzensrufe hinauf zu
Aethershöhen, wo er so oft so selbstherrlich geweilt, für sein Vaterland gekämpft und gesiegt
hatte. Tief erschüttert stand die Menge der Leidtragenden, die von weit und breit herbeigeeilt
waren, bei diesem schrecklichen, aber auch erhebenden Schauspiele."
Herr Pfarrer Hamperl, (rechts im Bild) der schon anlässlich der Trauergottesdienste die Taten des
Verblichenen in feierlicher Rede gewürdigt hatte, überließ es, wie er sagte, beredteren Munde, des
Helden Lob zu singen und beschränkte sich auf das allgemeine christliche Gedenken. Dem Lob des
Helden wurde auch nach Vollendung der kirchlichen Funktionen in beredtester Weise Genüge getan
durch Herrn Bezirksamtmann Karl Leyser, der an die Trauerversammlung die Worte richtete: Eine
vornehme Aufgabe obliegt mir an diesem Grabe, als Amtmann dieses Bezirkes Dolmetsch zu sein der
Gefühle, die sich im Bezirk widerspiegeln der Gefühle des Schmerzes, der aus jedem Auge glänzt.
Der Bezirk ist stolz auf seinen Sohn, der so Wunderbares geleistet hat für sein Vaterland, der
seine liebe Heimat berühmt gemacht hat, stolz auf den Helden, der so Gewaltiges beigetragen hat
zum Schutz der heimatlichen Fluren, ein mächtiger Kämpfer war für die Freiheit seines Volkes. Der
Bezirk blickt voll tiefster Trauer auf den Toten, der mit Leib und Seele hing an seiner geliebten
Waffe, mit ihr das Reich der Lüfte beherrschte, sie sieghaft durchmaß und nach einer glanzvollen
Laufbahn unbezwungen vom Feinde, als Held der Elemente zum Opfer fiel, im Tode noch ein Sieger.
Das Bild des pflichtgetreuen Soldaten und Offiziers vervollkommnet sich durch die Tugend eines
liebenswürdigen, braven Mannes, eines durchaus lauteren Charakters, den wir so schwer vermissen,
der in den Tagen des höchsten Erdenruhmes sich stets der gleiche blieb, der lieben Heimat und
deren Bewohnern von Herzen zugetan war, und uns liebte, wie wir ihn über das Grab hinaus noch
lieben. Deutsches Volk!
Solche Männer leuchten, da glänzt nicht nur der Ruhm des Lebenden da wirkt das hohe Beispiel
hinaus über den Tod, du wirst, du kannst nicht unterliegen, mag die ganze Welt sich gegen dich
erhoben haben, diese Helden werden siegen. So möge der schwergeprüften Familie Trost sein die
Blume des Ruhmes und treuen Gedenkens, die unauslöschliche Dankbarkeit von Kaiser und Reich des
ganzen geliebten deutschen Vaterlandes, die innige Liebe aller, die den unsterblichen Helden im
Leben kannten und verehrten. Ja die Liebe des ganzen deutschen Volkes schmückt sein Grab und über
seine Heimatstätte glänzt des Heldenruhmes leuchtender Stern. An seinem Grabe wacht des Volkes
Dank, solange Deutsche sein werden, Ruhe sanft, unsterblicher Held, ruhe sanft in stillen
Gottesfrieden!“ Diese herrlichen Worte des Bezirksamtmannes Karl Leyser, waren dem
Bezirksangehörigen aus der Seele gesprochen, sie klingen nach, werden nie vergessen werden, des
Volkes Dank gebührt dem warmen Dolmetsch seiner Gefühle. Herr Leutnant Schröder legte namens der
Jagdstaffel Bölke, einen Kranz am Grabe nieder und gedachte des braven Kameraden.
Herr Bürgermeister Lechner von Rottenburg, widmete dem Ehrenbürger mit einer Kranzspende Worte des
Dankes für alles was er seiner lieben Heimat war.
Herr Hauptmann Staab sprach als Vertreter der Flieger – Ersatz – Abteilung Schleißheim: „Solange
ich das Gefühl habe dass ich an der Front als Kampfflieger meine Pflicht erfüllen kann, werde ich
an der Front bleiben. Noch schwere Zeiten werden uns bevorstehen, was in meiner Kraft steht, werde
ich tun, das bay. Offizierskorps in dieser Ehrenwaffe hoch zu halten“, so schrieb Fliegerleutnant
Max Müller in seinem letzten Brief an den Kommandierenden der Flugstreitkräfte in der Heimat.
Edelster Ausdruck höchster Pflichtauffassung eines edlen Kameraden, dessen offenes Auge uns allen
so teuer war. Wenn jetzt ein Gott kommen und sagen würde: „Steh auf“, ich müsste ihm in den Arm
fallen und sagen; Tue es nicht, denn er, der als unvergleichlicher Held gefallen ist im Kampfe
für sein Vaterland, er steht als leuchtendes Beispiel immer vor uns, er vergeht nie, das hohe
Vorbild, das er uns war, wird uns bleiben.“ Ruhe du müder Leib, dich umfasst der Heimat liebe Erde,
aber schwinge dich auf, erhabener Geist und fliege uns voran im Kampfe gegen unsere Feinde und
zeige uns den Weg zum Sieg und endlichen Frieden.“
In Vertretung des Kommandanten der Luftstreitkräfte Exzellenz General von Brug legte Herr Oberst
Nees einen Kranz nieder mit den Worten: “Noch vor kurzem habe ich in das traute Auge geschaut und
es war mein herzlichster Wunsch, ihn nach bald beendigtem Kriege wieder zu begrüßen. Herr der
Heerscharen hat es anders gewollt. Die bay. Luftstreitkräfte werden dieses selten großen Helden,
der wegen persönlicher Tapferkeit vor dem Feinde vom Soldaten zum aktiven Offizier befördert
wurde, stets dankbar gedenken, werden seiner nie vergessen.„
Herr Oberleutnant Müller legte namens des Ingenieurskorps einen Kranz niederen und versicherte dem
unvergesslichen Helden treues Gedenken.
Nach einem Trauerlied des Kirchenchores unter Leitung des Hauptlehrers Heigl und unter
Unterstützung der Herren Lehrer aus der Umgebung schloß die seltsame Begräbnisfeier mit einem von
der Militärkapelle vorgetragenen herrlichen Trauermarsch. Alles drängte sich zum Grabe, um dem
geliebten Toten ein letztes Lebewohl zu sagen.
Trüb war der Himmel, er weinte still, wir weinten mit.
Rottenburger Anzeiger
Während des Trauerzuges und der Beerdigung kreisten Flieger aus Schleißheim über den Bergfriedhof
Grab von Max Ritter von Müller am Bergfriedhof
Briefe von Max Ritter von Müller an seinem Vater
Der Heimatforscher Franz Moises sammelt seit 1984 alles, was mit Rottenburg und den angrenzenden Ortschaften zu tun
hat. 1994 hatte er besonderes Glück: er bekam die originalen Briefe und das Tagebuch von Max Ritter von Müller
geschenkt. Nach mehreren Ausstellungen schenkte er die Originale der Stadt Rottenburg, um sie der Nachwelt zu
erhalten.
Die Briefe wurden von Gerhard Marklstorfer aus Rottenburg übersetzt.
Im Felde, 2.2.1917
„Mein lieber Vater!
Deinen Brief habe ich erhalten. Meinen herzlichen Dank. Leider wird es mit dem Urlaub vorderhand
nichts. Du hast recht, ich liege in Marke bei Courtrai. Ich bin zwar diesmal ziemlich weit hinter
der Front. Aber wir rechnen jedenfalls, dass hier was los ist im Frühjahr. Die goldene Medaille
dauert noch 4 Wochen, denke ich, das dauert immer lange. 1 Paket Geräuchertes habe ich schon
erhalten. Außerdem habe ich in letzter Zeit fünf Hasen und drei Fasanen geschossen. Gestern, am 1.
Februar hatten wir Kasino-Einweihung. Hier ist nämlich Hochbetrieb, ich meine in der Esserei und
Sauferei. Ich für meine Person trinke ja weniger. Aber nachdem ich das Präsidium hatte, musste ich
auch mittun. Zum Faulenzen war es großartig. Vorderhand haben wir noch gar keinen Flugplatz. Auch
keine Maschine. Bei Jägerstaffel Boelcke ist auch scheinbar kein Glück mehr, sie haben in letzter
Zeit viel Pech. Ich will Dir mal schreiben was die für Verluste haben seit Beginn der
Neuaufstellung. Es kommt hauptsächlich daher, weil sie gar zu schneidig sind. Ich meine es wäre
nicht notwendig gar so vorzugehen.
(1) Leutnant Philipp (tot), (2) Leutnant Amann (tot), (3) Leutnant Diener (tot), (4) Leutnant
Reimann (tot), (5) Hauptmann Boelcke (tot), (6) Oberleutnant Kiermeier (tot), (7) Leutnant Böhme
(verwundet), (8) Leutnant Büttner (gefangen), (9) Leutnant Immelmann (tot), Vizefeldwebel Ostrob
(tot), Matrose Klingel (tot), Offizier-Stellvertreter Reimann (tödlich am Flugplatz abgestürzt).
Es sind also bloß noch 4 übrig von uns. Kannst mal einen Begriff machen, wie bei den Fliegern
Verluste sind. Nicht dass Du glaubst, wie viele Großsprecher, die Franzosen haben bloß Verluste.
Allerdings hatte ja die Staffel bzw. die toten Flieger insgesamt 81 englische Flugzeuge
abgeschossen. Bei anderen Abteilungen gibt es natürlich mehr Verluste, als sie Engländer
abschießen. Neues gibt es sonst nichts bei uns. Heute Abend gehen wir nach Courtrai ins Theater.
Nicht weit von hier (15 Minuten). Gefallen tut es allen hier. Schöner als in München. Also für
heute recht herzliche Grüße an Euch alle.
Euer stets dankbarer Maxl“
Im Felde, 23.2.1917
„Mein lieber Vater!
Deinen Brief erhalten. Meinen herzlichsten Dank. Geräuchertes kann
ich immer brauchen. Wer ist denn da in Schleißheim so gescheit? Ich
habe ja eigentlich 10 Flugzeuge abgeschossen. Aber ich habe 5 Stück
anerkannt. Also keine 6. Vorderhand schieß ich keinen ab und nach
Fürth als Lehrer gar keine Idee. Ich werde so blöd sein und mir in
Deutschland das Genick brechen. Nein - sterben hier im Luftkampf
als für einen dummen Schüler. Ich bleib lieber da wo ich bin. Habe
hier ja wenig Aussichten zum Abschießen, dafür geh ich mehr auf
Jagd usw. Ich habe hier ein schönes freies Leben. Und Du willst doch
auch haben, dass es mir gut geht. Solange ich kein Geld heimschicke,
kannst daraus ersehen, dass ich bloß Vergnügen habe.
Ich kann mal ruhig mich erholen mit gut Essen und Trinken. Neues
gibt es noch nicht. Zur Zeit nebliges Wetter. Wie es mit Urlaub ist,
Kann sein, dass ich mittendrin komme. Kann sein, vor Ostern nicht.
Vorläufig würde ich bloß einen Dienstwagen fahren. Außerdem habe
ich kein Verlangen nach Deutschland. Ich hab es zur Zeit hier besser.
Also einstweilen tausend Grüße
Euer dankbarer Maxl
Gruß an Mutter“
Im Felde, 10.3.1917
Mein liebster Vater!
Vor allem tausend Grüße. Mir geht es sehr gut. Ich habe bereits eine
neue Maschine, jedoch noch keinen definitiven Flugplatz. Warten
wir solange, bis es irgendwo los geht. Neues gibt es nichts. Essen,
trinken und schlafen ist mein Zeitvertreib. Wie geht es Euch? Seid Ihr
alle gesund? Ich hoffe es wenigstens. Von Steinhauser habe ich Zigarren
bekommen. Hast Du sie bezahlt? Solche, oder um 16 Pfennige
wie Anna mir mitteilte, will ich noch mehr haben. Mit der Jägerei ist
auch Schluß. Habe im Ganzen ungefähr 70 Hasen geschossen. 50
Hühner, 8 Fasanen, 2 Kaninchen und 1 Schnepfe. Wildenten lassen
sich schlecht schießen hier. Keine Deckung. Anbei einige Bilder von
meinem kleinen Fahrrad, welches ich von der Somme als Andenken
mitnahm. Auch hab ich noch ein großes Fahrrad. Ein großer Hund ist
mein Begleiter geworden. Mein kleiner Kuppi ist mir abhanden gekommen.
Einstweilen tausend Grüße
an Euch alle Euer stets dankbarer Maxl
Im Felde, 19.3.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße. Mir selbst geht es ausgezeichnet. Hoffentlich
ist dasselbe bei Euch der Fall. Wo bleibt das Geräucherte?
Hast Du schon abgeschickt. Adele hat geschrieben. Neues weiß
ich nichts. Was gibt‘s bei Euch Neues? Ich bin vorläufig immer
noch so ein halber Privatier. Also nichts zu tun.
Tausend Grüße bis auf Wiedersehn.
Euer Maxl“
Im Felde, 31.3.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße, Dein Maxl. Mir geht‘s sehr gut. Teile Dir
mit, dass wir leider von unserem schönen Heim in Flandern ausziehen
mussten. Ich bin jetzt bei Wasquehal bei Lille. Also zwischen
Lille und Roubaix bei der 6. Armee, wo Fritz ist. Das Essen ist hier
nicht prima. Aber es geht. Urlaub ist nicht daran zu denken. Hier
wird viel erwartet. Ich brauche unbedingt Geräuchertes. Schicke
mir bitte also sofort, aber nicht mehr wie1 Pfund-Paket. Dass es
sicher und schneller kommt. Wir werden in nächster Zeit gegen
den bösen Feind ziehen. Es ist höchste Zeit. Ich kann es schon lange
nicht mehr erwarten. 3 Monate habe ich nichts mehr getan. Aber
nur die Ruhe, es pressiert auch nicht so.
Zwiebel könnte ich brauchen. Und später Samen für gelbe Rüben,
Zwiebel, Spinat, Salat, Rettiche, Radieschen, Petersilie usw. Ich hab
hier einen großen Garten. Sonst ist es hier sehr schön. Ich hab ein
nettes Quartier usw. Also sofort Geräuchertes. Von Steinhauser habe
ich Zigarren erhalten. Hast Du schon bezahlt? Hast Du 150 Mark
erhalten? Jetzt kann ich sicher mehr sparen als vorher, nachdem
ich weiter von der Stadt bin. Einstweilen tausend Grüße.
Halt! Maggi brauche ich, wo bekommt man dieses? Vielleicht kannst
Du auftreiben. Schau mal um, sei so gut.
Auf Wiedersehn und nochmals Gruß auch an Mutter
Dein dankbarer Maxl“
Im Felde, 3. April 1917
„Mein lieber Vater!
Deinen Brief erhalten. Meinen herzlichen Dank. Ja wenn das so ist
mit Geräuchertem, dann bitte mach Dir keine Mühe mehr, es ist
ja schade, warum sollen wir für die Diebe Geräuchertes kaufen.
Außerdem noch so teuer. Ich bekomme hier auch, es ist halt nicht
so gut. Macht aber nichts. Ob ich zu Deinem Geburtstag kommen
kann, das kann ich noch nicht sagen. Ich sag Dir ehrlich, ich sollte
schon ½ Jahr überall in Urlaub fahren, ich hab wirklich keine
Lust. Man wird bloß krank dabei. Vorderhand wo es noch so kalt
ist. Außerdem hab ich 3 Monate nichts getan und muss erst wieder
mal fliegen. Ich komm schon nachher. Du weißt doch, dass es
mir sehr gut geht und was willst Du noch mehr. Du kannst mich
zu Hause so wenig beeinflussen als im Felde, ich gehe nicht nach
Deutschland. Hier im Felde bin ich ein freier Mann und zu Hause
ein Nichts. Außerdem gefällt bzw. bin ich es schon so gewöhnt.
Von mir aus kann der Krieg ewig dauern, ich fühle mich wohler
als im Frieden. Solange ich zu Essen und Trinken habe. In Deutschland
muss man um jedes Ding bitten, das ist hier nicht notwendig.
Was ist eigentlich mit meiner Tapferkeitsmedaille? Wieder verschlampt?
Ich werde der Sache schon nachgehen. Also nichts schikken.
Nur Samen und Zwiebel wenn Du hast. Wenn Fritz in Urlaub
fährt, soll er mir mitnehmen. Er liegt doch nicht weit von hier.
Auf Wiedersehen und tausend Grüße
Dein Maxl
Laß Adele wo sie ist, es ist doch besser.
Ihr habt doch nicht so viel Arbeit.
Gruß an Mutter.“
Im Felde, 6.4.1917
„Mein lieber Vater!
Deinen Brief erhalten. Herzlichen Dank! Was denn Du alles für
Ansichten hast, Du glaubst ich lass mich betrügen. Das gibt es
dann doch nicht. Meine Medaille ist eingereicht, jedoch nochmals
zurück. Es musste nochmals befürwortet werden nebst allen Zeugenaussagen
von meinen Abschüssen, ob ich diese hohe Auszeichnung
tatsächlich verdient habe. Es ist von Boelcke-Staffel nochmals
befürwortet und dauert deshalb so lange. Wenn ich sie habe,
komme ich in Urlaub. Sonst nichts Neues.
Freut mich von Fritz, dass er sich besserte. Mir geht‘s hier tadellos
und kränke und kümmere Dich nicht so viel um Deinen Maxl. Er
kommt schon, auch fehlt ihm hier nichts. So dumm ist er nicht
mehr wie er schon war.
Auf Wiedersehen und tausend Grüße
De in Maxl“
Im Felde, 10.4.1917
„Mein liebster Vater!
Deinen letzten Brief habe ich erhalten. Meinen herzlichsten Dank.
Teile Dir mit, dass ich am 7.4.1917 einen Engländer abgeschossen
habe. Ob ich ihn bestätigt bekomme, weiß ich noch nicht, da derselbe
noch in feindlicher Linie abgestürzt ist. Jedenfalls freut es mich
nach so langer Zeit wieder einen Luftkampf zu haben. Es waren 7
Engländer, die wollten auf unseren Platz Bomben werfen. Wir waren
zu Dreien und besannen uns nicht lange. Ich ging mitten ins Geschwader,
sodass die Engländer auseinander spritzten. Es war hoch
interessant, wie sie alle nach der Front abhauten. Die Bomben ließen
sie irgendwo schnell fallen ohne Erfolg. Sonst nichts Neues. Schau,
dass Du bloß Maggi oder was ähnliches auftreibst. Samen brauchst
Du nicht kaufen. Man kann hier auch kaufen, was man braucht.
Geräuchertes habe ich noch nicht. Grüße an Euch alle. Meinen besten
Dank an Herrn Herzog.
Auf Wiedersehen
Euer Maxl“
Im Felde, 15.4.1917
„Mein lieber Vater!
2 Pakete mit Geräuchertem erhalten. Meinen herzlichsten Dank.
Mir geht es sehr gut. Ich habe um Urlaub eingegeben. Doch kann
und darf ich zur Zeit nicht fahren. Wir haben in der Staffel fast
lauter jüngere Flugzeugführer. Ich bin der einzige Kriegserfahrene.
Unser Oberleutnant sagte, ich müsste unbedingt vorderhand
dableiben. Auch bin ich von Schleißheim angefordert nach der
neuen Fliegerschule 5. Ich hab es verweigert. Ich habe keine Lust
mehr als Lehrer zu funktionieren. Auch könnte ich es nicht machen
mit meinen Füßen. Und drittens, diese alten Maschinen. Nein.
Bleibe wo du bist. Ich bin hier sehr beliebt und das ist die Hauptsache.
Sonst gibt‘s nicht viel Neues. Ein großer Betrieb ist ja eigentlich
nicht hier. Aber es wird erwartet. Auf Wiedersehen und
nochmals besten Dank.
Dein Maxl“
Im Felde, 19.4.1917
"Mein lieber Vater!
Deinen Brief erhalten. Meinen herzlichsten Dank. Die zwei Pakete
mit Geräuchertem sind fast gegessen. Ganz glänzend. Auch
Maggi und Würfeln sind verzehrt. Teile mir noch Fritz Adresse
genau mit, ich möchte ihn mal einladen. Mein 6. Engländer ist
mir vom Kommandeur der Flieger anerkannt. Ich brauche Maggi.
Sonst geht‘s mir sehr gut. Zur Zeit sehr schlechtes Wetter.
Sonst nichts Neues.
Auf Wiedersehen und tausend Grüße
Dein Maxl“
Im Felde, 2.5.1917
"Mein lieber Vater!
Deinen Brief erhalten. Herzlichen Dank. Fritz hat mich besucht.
Ebenso Rieder von Altfraunhofen. Gestern schoss ich den 7. und
heute den 8. Engländer ab. Sonst nichts Neues. Paket mit Geräuchertem
erhalten. Tausend Dank. Sonst geht‘s mir glänzend. Auf
Wiedersehn
Dein Maxl
Das nächste Mal mehr.“
Im Felde, 11.5.1917
„Mein lieber Vater!
Nun vor allem recht herzliche Grüße. Mir geht es sehr gut. Das letzte
Paket mit Geräuchertem habe ich erhalten, das Maggi nicht. Geräuchertes
brauche ich jetzt nicht mehr. Ich habe mir gekauft einen
schönen Schlegel, das Pfund zu 5 Mark. Am 6.5.1917 schoss ich meinen
9. Gegner ab. Gestern hatte ich einen ganz gefährlichen Engländer
schon bis 1500 m herunter, weit hinter unserer Front. Ich wurde
dann von einem Nieuport Einsitzer angegriffen und musste den Anderen
ablassen. Lieber einmal Keiner. Vorläufig haben wir noch wenige
Maschinen. Infolgedessen habe ich jeden 3. Tag dienstfrei. Heute
z.B. gehe ich nach Roubaix.
Fritz geht es scheinbar sehr gut. Sonst nichts Neues.
Einstweilen tausend Grüße.
Dein Maxl“
Im Felde, 16.5.1917
„Mein liebster Vater!
Vor allem tausend Grüße. Mir geht es ausgezeichnet. Bin sehr zufrieden.
Ich würde gerne jetzt um Urlaub bitten, aber weißt, die Engländer
sind in letzter Zeit so frech geworden, sodaß mich momentan Herr
Leutnant Schäfer doch nicht fortlassen wird. Interessant war mein 10.
Abschuß. Ich griff mit noch 3 Herren unter meiner Führung mehrere
Artillerie-Flugzeuge an. Der von mir Angegriffene fiel wie ein Blatt
Papier sich nochmals überschlagend zu Boden. Beobachter und Führer
fielen während des Absturzes aus der Maschine. Man fand beide 3 –
500 m weit von dem zertrümmerten Apparat. Das englische Flugzeug,
ein ganz neuer Typ fiel in unsere vorderste Stellung. Mir selbst, offen
gestanden, war das Ganze ein Trauerakt. Aber weißt, wie man so sieht,
wenn die Engländer unsere Flieger abschießen, nimmt man keine Rücksicht.
Sonst nichts Neues. Gestern war ich wieder bei den Herren im
Kasino geladen. Sollte ich doch das Glück haben und den Schutz Gottes,
dass ich 15 Stück abschieße, glaube ich doch, dass ich Offizier werde.
Es wäre ja nur ein ganz großer Vorteil für mich, der Wille ist da.
Selbstverständlich bin ich so vorsichtig wie ich nur kann. Ich greife
auch bloß an wo ich Aussicht habe. Rettichsamen möchte ich gern
haben.
Einstweilen tausend Grüße
Euer Maxl.
Braucht Ihr keinen Stoff? Hier gibt´s noch. Teilt mir mit.“
Im Felde, 26.5.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße und herzlichen Dank für Deinen Brief.
Mir geht es Gott sei Dank recht gut. Habe vorgestern meinen 12.
Engländer erledigt. Ja eigentlich hast Du ja recht. Man hat keinen
Dank hierfür. Aber was will man machen. In Deutschland ist ja die
Sache noch viel schlimmer. Sollte ich doch das Glück haben, dass
ich Offizier werde, dann wäre es doch gut für mich. Habe ich das
Glück nicht, dann liegt nichts daran. In jedem Fall gefällt es mir
im Felde besser als in Deutschland. Ich gehe nicht so unsinnig
rein. Außerdem bei der nächsten Gelegenheit gehe ich in Urlaub.
Sei nur unbesorgt um mich. Einstweilen tausend Grüße
Dein Maxl
Grüße an Mutter. Auf Wiedersehn.“
Im Felde, 6.6.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem herzliche Grüße an Euch alle. Mir geht es ja sehr gut.
Am 3. 6. schoss ich meinen 14. Gegner ab. Er flog in 2.500 m Höhe
in Trümmer. Leider musste mein Führer wieder daran glauben.
Leutnant Schäfer, ein Mann von Boelcke, hat gestern Nachmittag
sein Leben lassen müssen. Die Sache war folgende: Leutnant Schäfer
gab mir extra seine Maschine um unbedingt mit ihm zu starten.
Die Engländer hatten schon lange Zeit geplant, die rote Maschine
zu vernichten. Leutnant Schäfer wurde hier als Richthofen
erkannt. Auch ich bin sehr gefürchtet hier, infolgedessen ist meine
Maschine alle 14 Tage anders gestrichen. Leutnant Schäfer
flog mit unserm Geschwader als Führer gegen 8 Engländer. Ich
selbst griff von oben, das ist der gesicherte Angriff, an. Leutnant
Schäfer mit noch 6 Herren griff in gleicher Höhe an. Er hatte
beinahe einen Engländer zu Boden als ihn 3 Engländer von hinten
oben angriffen. Ich kam ihm zu Hilfe, doch zu spät, die Maschine
des Herrn Leutnant Schäfer brach in Stücke und stürzte
senkrecht ab. Ich schoss dabei noch einen Engländer krank und
musste mich selbst aus dem Staube machen. Die anderen Herrn
griffen nicht energisch genug ein. Sie sind eben noch nicht so
kampftüchtig. Es kann auch sein, dass ein Kabel gerissen oder
zerschossen war. Er hatte den Fehler, er ging zu rücksichtslos darauf,
ohne sich nach den anderen zu kümmern. Ich hatte es ihm
schon oft gesagt.
Habe deswegen keine Angst und Sorge um mich. Ich bin bedeutend
vorsichtiger. Sollte ich in nächster Zeit Urlaub bekommen,
komme ich. Soweit ich weiß, bin ich zur Auszeichnung wieder
eingereicht. Ich weiß nicht zu was. Die Goldene muss bald kommen.
Sonst kann ich nichts mehr, als Hohenzollern Hausorden
bekommen, da muss man Offizier sein. Ich weiß nicht, ob ich vielleicht
zum Offizier eingereicht bin.
Einstweilen tausend Grüße Euer stets dankbarer Maxl“
Im Felde, 9.6.1917
„Mein liebster Vater!
Nun vor allem recht herzliche Grüße. Mir geht es Gott sei Dank recht
ordentlich. Teile Dir mit, dass ich gestern einen Dreidecker-Doppelsitzer
abgeschossen habe. Er flog wieder in tausend Stücke. Vorgestern habe
ich in der Frühe um 8.15 Uhr und nachmittags 1 Uhr je einen Gegner
abgeschossen, sodass ich bis jetzt 17 Flugzeuge abgeschossen habe,
einwandfrei alleine. Lass doch mal in die Zeitung setzen. Ich kümmere
mich nichts drum. Ich weiß nicht, warum es nicht im Heeresbericht
kommt. Ich glaube, sie genieren sich, wenn ein Offizier-Stellvertreter
auch 17 Engländer abschießen kann. Oder sie warten, bis ich Offizier
bin. Lasst Euch einstweilen recht herzlich grüßen,
Euer Maxl“
Im Felde, 11. Juni 1917
„Mein lieber Vater!
Endlich mal wieder schlechtes Wetter, infolgedessen Zeit zum
Schreiben. Mir geht es ja recht gut. Gestern bin ich mit dem 14.
Abschuss im Heeresbericht gestanden, das andere kommt noch.
Anbei einige Bilder von meinen letzten Abschüssen. Du hast Dich
bei Adalbert beklagt, dass ich so wenig schreibe. Ja, allerdings,
weißt ich hatte viel zu tun bei der neuen Offensive. Engländer in
ganzen Massen. Mit soviel hatte ich’s nicht. Neues gibt’s gar nicht.
Also seid unbesorgt und seid recht herzlich gegrüßt von Eurem
Maxl“
Im Felde, 21.6.1917
"Mein liebster Vater!
Teile Dir mit, dass ich jedenfalls noch diesen Monat in Urlaub
fahre. Kann sein, schon am 24. oder 25. dieses Monats. Vielleicht
kannst mich in München abholen. Ich habe verschiedene Sachen
dabei, da musst mir bisschen tragen helfen. Nimm mir auch meinen
Säbel mit. Ich weiß aber nicht, ob ich die Umschnallkoppel
auch zuhause ließ. Ohne Umschnallkoppel brauche ich den Säbel
nicht. Alles andere mündlich.
Tausend Grüße
Dein Maxl“
Im Felde, 15.7.1917
„Mein liebster Vater!
Recht herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Nun in Gottes Namen,
ich werde um Urlaub bitten. Es ist gerade eine schlechte Zeit,
die Offensive. Vielleicht geht‘s doch. Ich fahre bloß wegen Dir. Ich
habe eigentlich keinen Urlaub notwendig. Die Kirschen möchte ich
vorher noch essen und auf meinen Orden hätte ich auch gerne gewartet.
Aber leider dauert es länger als man glaubt. Ich selbst bin ja
gesund. Geräuchertes bekomme ich immer von einer guten Quelle.
Doch das Kilogramm 12 Mark. Aber so gut, wenn nicht noch besser
als Deines. Außerdem werde ich mir Patronen mitnehmen müssen,
für Rebhühner. Seit 9. dieses Monats bin ich nicht mehr geflogen.
Am 9. schoss ich den Letzten ab. Die Engländer haben nachgelassen.
Neues gibt‘s nicht.
Also, baldiges Wiedersehen und tausend Grüße
Dein Maxl“
Im Felde, 24.7.1917
„Mein lieber Vater!
Bin gestern 12 Uhr mittags gut mit meinen Paketen angekommen.
Habe abends meine Maschine eingeflogen. Geht mir sehr
gut. Ich esse jetzt bei den Offizieren, da mir die Herren sagen, in
den nächsten Tagen soll ich Offizier werden. Ich bin recht gut
aufgenommen worden. Also sei unbesorgt um mich, ich werde
vorsichtig sein.
Dein dankbarer Maxl
Grüße an Mutter und Fritz.“
Im Felde, 27.7.1917
„Lieber Vater!
Da momentan wegen schlechter Witterung in der Luft keine Engländer
abzuschießen sind, benütze ich die Zeit, Dir diese Zeilen
zukommen zu lassen. Es geht mir immer noch gut, ich habe mich
rasch wieder an den hiesigen Betrieb gewöhnt.
Sonst weiß ich momentan nicht‘s Neues zu berichten und grüße
Dich inzwischen herzlich.
Dein Maxl
Heute habe ich einen Engländer krank geschossen.“
Im Felde, 29.7.1917
„Mein liebster Vater!
Teile Dir mit, dass ich gestern den 19. und 20. Engländer abgeschossen
habe. Wurde vom bayerischen Generalkommando II sogleich
beglückwünscht und heute Exzellenz von Stetten vorgestellt.
Heute erhielt ich auch den Hohenzollern. Geht mir sehr gut.
Zur Zeit schlechtes Wetter. Voraussichtlich nicht‘s zu fliegen. Heute
gehe ich ins Theater in Lille.
Tausend Grüße auch an Mutter
Dein dankbarer Maxl“
Im Felde, 10.8.1917
„Mein lieber Vater!
Recht herzlichen Dank für Deinen Brief. Mir geht es sehr ordentlich.
Zur Zeit ist es schlechtes Wetter. Bin jetzt umgezogen in ein
herrliches Schloss. Wunderbar sag ich Dir. Vorläufig gefällt es mir
ganz hervorragend hier. Fliegen kann man jetzt nicht. Zu schlechtes
Wetter. Also sei unbesorgt um mich und habe nicht gar so viel
Zeitlang. Im Gegenteil, sei stolz und habe Gottvertrauen.
Tausend Grüße auch an Mutter
Dein stets dankbarer Maxl.“
Im Felde, 13.8.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße, Dein Maxl. Mir geht es ja ganz gut. Daß
ich im Heeresbericht war, hast Du ja gelesen. Wir können selten
fliegen. Schadet auch nicht‘s. Mit meiner Beförderung sind die
Bayern wieder furchtbar schnell, Gell! Sonst gibt‘s nicht‘s Neues.
Grüße an Mutter
Dein Maxl
Bei Fritz war ich gestern. Er kommt am Samstag mit seinen Leuten
zu mir.“
Im Felde, 17.8.1917
„Mein allerliebster Vater!
Vor allem tausend Grüße von Deinem Maxl. Nun, wie geht es Dir?
Heute früh 7.00 Uhr schoss ich einen ganz neuen Typ als Nr. 22 ab. Nr.
19, 20, 21 und 22 liegen alle hinter unseren Linien. Alles Dir zuliebe
keinen mehr über den englischen Linien. Du weißt ja selbst, dass ich
vorsichtig genug bin. Einem Unglück kann man ja nicht aus. Gescheit
genug bin ich und alt genug dazu auch. Ich werde kolossal gefeiert in
der Staffel, da sollst Du mal dabei sein. Heute Abend stehen wieder
eine masse Blumen auf meinem Tisch. Sonst geht es mir herrlich in
meinem Schloss. Ich habe jetzt eine schönere Wohnung als Dein schönstes
Zimmer. Da brauch ich aber die Stiefel nicht ausziehen. Gell, ich
kann böse sein. Also bis auf Wiedersehn zu Weihnachten, wenn nicht
eher.
Dein stets dankbarer Maxl“
Im Felde, 17.8.1917
„Mein liebster Vater!
Deinen Brief erhalten. Meinen herzinnigsten Dank. Nun mir geht es
sehr ordentlich. Wir haben schon 8 Tage ganz schlechtes Wetter. Und
hier in Flandern ganz wenig Aussicht auf besseres Wetter. In letzter
Zeit hatten wir viele kleine Feste gefeiert. Ich wurde dabei kolossal
verehrt. Bin bei den Offizieren sehr beliebt. Ich glaube, dass auch die
Beförderung nicht mehr lange ausbleibt. Bei Fritz war ich gestern. Es
geht ihm auch recht gut. Neues gibt‘s nicht viel sonst. Mit dem guten
Essen wie bei Dir, ich meine Milzwurst, ist‘s aus. Aber sonst ist das Essen
gut, bloß teuer. Also einstweilen tausend Grüße
Dein Maxl
Gruß an Mutter und Herrn Zipf.“
Im Felde, 23.8.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße, Dein Maxl. Daß es mir gut geht, kann ich Dir
nicht oft genug schreiben. Ich weiß ja, Du bis sehr besorgt um mich.
Zur Zeit ist kein Flugwetter. Bin auch wieder froh. Die schönste Zeit
wird wohl vorüber sein. Mit dem Leutnant ist’s nun wieder eine solche
Geschichte. In Bayern. Ja weißt, das läuft durch viele Hände. Das wird
wohl unter diesen Millionen Leuten der Erste und Letzte sein. Nun bin
ich ja wieder der erfolgreichste Bayer. Kampfflieger. Also sei unbesorgt,
lieber Vater, ich werde nicht leichtsinnig vorgehen. Du kannst Deine
Sorgen wieder ausgleichen. Ich gleiche es aus, dass ich Dir nur dadurch
Freude machen kann, dass Dein Maxl, Dein Sohn auf der ganzen Welt
ruhmreich dasteht und ich kann Dir sagen, ich werde in der ganzen
Armee kolossal geehrt. Daß die Beförderung so lange ausbleibt, ist nicht‘s
zu ändern, aber es kommt. Ich muß froh sein, dass ich bisher so viel
Glück hatte. Alles Andere kommt von selbst. Hätte ich vor einem Jahr
Dir nachgegeben, wäre ich jetzt nicht‘s als ein Fluglehrer. Was stehen
mir aber später für Aussichten bevor. Du kannst getrost sagen, ich bin
versorgt, Deine Kinder stehen im Glanz da. Und das soll auch ein Ansporn
sein für die ganze Familie. Also sei unbesorgt um mich, ich bin
wie sein Vater. Sei stolz auf mich, denn nicht wieder ist dies hohe Glück
trotz manchen Unglücks beschieden. Einstweilen tausend Grüße an
Euch alle. Wenn ich in Urlaub komme als Leutnant mit Pour le Merite,
da wirst Freude haben.
Dein stets dankbarer Maxl.
Nur mich gehen lassen, ich habe es bisher verstanden.
Dein Maxl.“
Im Felde, 26.8.1917
„Mein lieber Vater!
Teile Dir mit, dass ich soeben erfahren habe, dass ich zum Leutnant
befördert bin. Ich gratuliere Dir also von ganzen Herzen.
Möge Dir die Freude beschieden sein in Deinen alten Tagen. Wir
kommen fort nach Brügge. Morgen fliegen wir fort.
Tausend Grüße
Dein Maxl“
Im Felde, 1.9.1917
„Mein allerliebster Vater!
Schnell einige Zeilen an Dich. Sonst hast Du wieder Angst um mich.
Ja, mir geht es ganz ordentlich in meinem neuen Stande und neuem
Heim. Hier scheint es viel zu regnen. Auch wenig Arbeit. Ganz
gut so. Nun freust Dich doch, auch dass Du einen Sohn hast, der
unter Millionen Soldaten aus einem Unteroffizier zum Offizier geworden
ist. Bis jetzt der einzige aktive Offizier in diesem Kriege.
Eine ganz hohe Ehre für Dich und Deine Kinder und Deine ganzen
Verwandten. Schreibe Du Fritz, ich habe wenig Zeit. Sei einstweilen
tausendfach gegrüßt von Deinem stets dankbaren
Maxl“
Im Felde, 5.10.1917
„Mein liebster Vater!
Vor allem recht herzliche Grüße. Dass es mir gut geht, brauche
ich Dir nicht zu schreiben. Neues gibt es ja auch nicht viel. Heute
Mittag fahre ich nach Ostende. Teile mir auch die Adresse mit,
von Herrn Bezirksamtmann und Assessor. Heute wird meine Maschine
fertig. Zur Zeit haben wir aber ganz schlechtes Wetter. Wir
werden jedenfalls die schönste Zeit gehabt haben. Jetzt kommt
die bekannte Nebelperiode. Wie geht es Euch? Gut ja! Mein Butter
ist gut angekommen. Bräuchte noch 20 Pfund das nächste
Mal dann. Vielleicht zu Weihnachten, dann gibt es auch Geräuchertes.
An die guten Gockerl freue ich mich schon wieder. Die
waren ja gerade glänzend. Einstweilen tausend Grüße von Deinem
stets dankbaren
Maxl.
Grüße mir die Mutter und Adele.
Nochmals Dank für das gute Aufkochen.“
Im Felde, 5.10.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem meinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank für Deinen
Brief. Nun wie es mir in Schleißheim gegangen, kann ich Dir mitteilen,
dass ich dort sehr gut aufgenommen wurde. Ich wurde zu Tisch geladen.
Major Stempel hielt eine Ansprache. Wurde dann mit dem ganzen
Offiziers-Korps fotografiert und fuhr um 4.00 Uhr nach München.
Adalbert schrieb mir heute. Er hatte 1 ½ Zentner Fische gefangen. Es
geht ihm gut. Mir selbst geht es auch gut. Nun möchte ich nicht vergessen,
Dir gleich zu Deinem kommenden Namensfeste alles
unerdenklich Gute zu wünschen. Vor allen Dingen langes gesundes
Leben und besonders soll Dir die Freude beschieden sein, dass Du bald
im Kreise Deiner Dir Freude machenden Kinder den Frieden feiern kannst,
das walte der liebe Gott.
Also nun gerade von mir, weil Du und ich stolz sein können, dass ich
auch Deinen Namen trage, den größten Dank für Deine guten Lehren
und Ermahnungen. Ich selbst freue mich auch, Dir für die kummervollen
Tage, einige freudige Tage dafür geben zu können. Ich tue bloß
meine Pflicht mit dem Bewusstsein, Dir als mein höchstes Gut, meinen
besten Vater die Zukunft zu verschönern. Was ich mache ist wohl überlegt,
darum sei unbesorgt. Was Gottes Wille ist und wer mit Gottes
Hilfe arbeitet, dem sei der Weg zum Himmel offen. Also kümmere Dich
nicht unnötig. Ich vertraue auf ein höheres Wesen und werde den Weg
dazu finden. Was anderen passiert, muß nicht mir passieren. Also nochmals
alles Gute.
Von Deinem stets dankbaren
Maxl.“
Im Felde, 11.10.1917
„Mein allerliebster Vater!
Deinen Brief habe ich erhalten. Meinen aufrichtigsten Dank hiefür. Da
zur Zeit ununterbrochenes Regenwetter ist und vorläufig gar keine
Aussicht besteht auf Besserung, kann ich Dir nichts Neues schreiben.
Staffel bekomme ich vorläufig nicht. Leutnant Thuy ist jetzt unser Staffelführer.
Meine alte Maschine habe ich noch, dazu eine Neue. Gestern
habe ich bei schlechtem Wetter einen Hasen erlegt. Zu meinem heutigen
Namenstag wird er gegessen. Wie Du mir immer schreiben kannst,
dass ich hier weg sollte. Du machst Dir keinen Begriff, wie ich diese
Worte ungern höre. Für mich als Offizier und Strebemann fallen diese
Worte weg. Ich fühle mich heute unglücklich, wenn ich mal weg muß.
Also ich bin zufrieden und überglücklich, wenn ich hier sein kann.
Habe nur Vertrauen. Gottes Rat ist bestimmt und sein Leben. Anbei ein
Bild von der Aufnahme in München. Mir gefällt sie sehr gut. Was Du
für ein großes Bild haben willst, bestelle nur dann bei Ostermeier.
Recht herzliche Grüße bis auf Wiedersehn
Dein Maxl“
Im Felde, 30.10.1917
„Mein lieber Vater!
Vor allem recht herzliche Grüße an Euch alle. Mir geht es sehr gut.
Gestern war das Wetter wieder seit Tagen anständig. Ich schoss dabei
aus einem Geschwader 2 Engländer heraus. Ich hielt mich oben drüber
und schoss einen um den anderen heraus, bis die anderen dann im
steilen Gleitflug verschwanden. Ein dritter aus demselben Geschwader
wurde durch noch einen Herrn von uns abgeschossen. Leutnant Thuy
hat noch keinen erwischt. Sonst gibt’s gar nichts Neues. Gibt’s ein Geräuchertes.
Auch wäre ich mit geräuchertem Rindfleisch zufrieden.
Hier ist ja alles so furchtbar teuer. Bis auf Wiedersehen zu Weihnachten.
Einstweilen tausend Dank
Grüße
Dein Maxl“
Im Felde, (ohne Datum)
„Mein liebster Vater!
Vor allem tausend Grüße. Hast Du meinen Brief erhalten? Wie
steht es mit einem Geräucherten oder geräuchertem Rindfleisch.
Hier ist mir die Sache zu teuer. Das Kilogramm kostet bis zu 20
Mark. Zu Weihnachten werde ich auch kommen. Ich bin zur Zeit
recht gesund und geht mir auch recht ordentlich. Vor unserer
Front ist ein unglaubliches Trommelfeuer. Alle Granattrichter stehen
unter Wasser. Was hier die Truppen aushalten, kann sich kein
Mensch einen Begriff machen. Vorwärts kommen die Engländer
nicht, wenn sie auch etwas erreichen, aber doch nicht viel. Bin
neugierig was die Engländer an der Küste und in Holland machen.
Sie wollen gleichzeitig Ostende und in Holland landen. Es
stehen viele Truppen dort. Aber alles geheim. Gell! Die Engländer
machen andauernd Landungsversuche an der holländischen Grenze.
Wegen Zigarren. Wäre es nicht besser, Du würdest die Zigarren,
die ich bei Steinhauser bestellte, heimholen. Ich bekomme
später nirgendmehr so billig und so gut. Hier ist die billigste Zigarre
30 Pfennige und nicht so gut als die 22 Pfennige bei Steinhauser.
Auch habe ich noch 16 und 15 Pfennige bestellt. Mehrere
Kisten. Die Rechnung bei Steinhauser habe ich bezahlt. Hab zwar
noch keine Antwort, ob sie das Geld erhalten hat. Bist Du gesund?
Ich wünsche, dass Du recht gesund mir als mein bester Vater noch
lange am Leben bleibst, so dass Du dich später Deiner Dir dankbaren
Kinder erfreuen kannst. Tröste Dich der liebe Gott, hat Dich
oft genug geprüft, es kommt noch die Zeit Deiner Freuden.
Recht herzliche Grüße an Mutter, auch an Adele, sie soll ein anständiges
tüchtiges Mädchen werden und allen Luxus aus dem
Kopf schlagen und Deine guten wohlgemeinten Ratschläge in ihr
Herz aufnehmen.
Auf Wiedersehn und nochmals Grüße auch Herrn Metz usw.
Dein stets dankbarer
Maxl.
Andauernd schlechtes Wetter. Wir können selten fliegen.
Dein Maxl“
Im Felde, 8.11.1917
„Mein liebster Vater!
Vor allem recht herzliche Grüße von Deinem Maxl. Teile Dir mit,
dass ich seit 3 Tagen wieder bei Jagdstaffel Boelcke bin. Ich hatte
keine Lust mehr bei 28. Weißt schon warum. Außerdem sind hier
recht nette schneidige Herrn. Wir liegen in Rumbeke und ziehen
bald auf den neuen Platz bei Courtrai. Leutnant Böhme führt zur
Zeit die Staffel. Neues gibt es nicht viel. Wir sind hier sehr schön
eingerichtet. Ist bloß schade, dass wir nicht dableiben können. Sie
schießen zwar noch nicht hierher, aber ich denke, lange wird’s
nicht mehr dauern. Gestern und vorgestern schossen wir 7 Engländer
ab. Das hat die Staffel lange nicht mehr gemacht. Also
entschuldige, dass ich so lange nicht schrieb, ich hatte mit dem
Umzug viel zu tun. Du weißt ja, dass es mir immer recht gut geht.
Auf Wiedersehen und tausend Grüße,
Dein stets dankbarer
Maxl.“
Im Felde, (ohne Datum)
„Mein lieber Vater!
Anbei meine Urkunden für Auszeichnungen. Lass sie mir rahmen.
Bin jetzt bei Harelbeke, bei Courtrai an der Lys. Zur Zeit gar nichts
los. Auch nichts Neues. Könntest Du mir nicht alle 14 Tage in einer
kleinen Pappschachtel ein Pfund Butter schicken. Hier kostet
das Kilogramm 20 Mark.
Auf Wiedersehen
Dein Maxl.“
Im Felde, 8.12.1917
„Mein liebster Vater!
Recht herzlichen Dank für Deinen Brief sowie für ein Paket Butter
und ein Paket Geräuchertes. Bis Weihnachten reiche ich. Ich hoffe,
dass ich bis dahin Urlaub bekomme. Wer hat diese Gerüchte
aufgebracht mit der Gasvergiftung? Ist nichts wahr dran. Wie
meinst Du mit den alten Kleidern und Stiefeln? Was brauchst Du?
Schreibe mir sofort. Daß Fritz in Landshut ist, wusste ich nicht.
Neues gibt es nicht viel. Gestern schoß ich meinen 37. Gegner ab.
Habe nur keinen Kummer, ich bin so vorsichtig als ich kann. Ich
habe zwei ganz gute neue Maschinen. Die Besten der Staffel. Leutnant
Böhme ist leider mit Zufallsschuss von einem ganz gewöhnlichem
Engländer gefallen. So haben wir nun keinen Führer und
bekommen vorläufig noch keinen. Hast Du mir noch nicht um
eine reiche Braut umgesehen? Also damit bringst mich am ersten
nach Deutschland. Ich denke, dass es so nicht mehr lange dauert.
Gibt’s eine gute Suppe, wenn ich komme? Von Metz ist noch nichts
gekommen.
Also einstweilen tausend Grüße von Deinem Dir stets dankbaren
Maxl.“
Im Felde, 5.1.1918
„Mein liebster Vater!
Vor allem tausend Grüße von Deinem Maxl. Bin gut angekommen.
Zur Zeit haben wir den bekannten Flandern-Nebel. Bekomme
einen Dreidecker in den nächsten Tagen. Max Josef – Orden
wird von der Staffel eingereicht. Ich lasse Dir 3 paar Sohlen zukommen,
davon 2 paar Dir und 1 paar Steinhauser Anna. Später bekommst
Du noch. Außerdem ein paar Schnürschuhe für Dich.
Von Ostermeier bekommst Du noch ein großes Bild. Zahl meine
Rechnung. Ich schicke Dir das Geld. Oder ziehe es ab. Ich hoffe,
dass ich mir schon mehr erspare jetzt. Auch mein Verdienstorden
ist eingereicht. Das Paket von Metz ist auch gut angekommen.
Bei Major Stempel war
ich, er will mich in eine Fabrik bringen als Betriebsleiter. Wenn ich
eine gute dauernde Stellung bekomme, nehme ich es an. Weil ich
zum Reserve-Offizier übertreten muss. Sonst nichts. Wird man
schon sehen, was daraus wird. Einstweilen viele Grüße von
Euerem stets dankbaren
Maxl.“
Dies war sein letzter Brief an seinen Vater. Am 9.1.1918 viel Max Ritter von Müller im Kampf bei
Moorslede in Belgien.
Im Felde, 8.1.1918
„Mein lieber Vater!
Vor allem tausend Grüße. Ich bin gesund und geh immer auf
Hasenjagd bei dem schlechten Wetter. Leider vorgestern bei einem
Jagdflug wurde unser Staffelführer abgeschossen. Ich sagte
ihm vorher, dass wir nicht über die Front fliegen, es wäre nicht
notwendig. Er verfolgte einen Engländer, ging zu weit mit ihm
über die Linien. Ich dachte an Dich und blieb herüben. Und so
musste der gute Mann drüben bleiben. Sein Bruder, der mit ihm
flog, sah es. Mir pressiert es vorderhand gar nicht. Sollte ich mal
herüben einen erwischen, nehm ich ihn mit, das heißt wenn es
leicht geht. Klinger bringt die Sohlen und Stiefel in den nächsten
Tagen. Gibst ihm die Zigarren mit. Auch noch 3 Kisten von den
Meinen. Aber extra zeichnen.
Früh hab ich 2 Hasen geschossen. Sonst nichts Neues.
Auf Wiedersehen und tausend Grüße
Dein Maxl“
Hier können Sie das Tagebuch des Kampffliegers Max Ritter von Müller lesen. Wegen geringer
Speicherkapazität kann das Original leider nicht abgebildet werden.
„Im Jahre 1907 meldete ich mich freiwillig zur technischen Truppe, um meiner militärischen
Dienstpflicht Genüge zu leisten. Wurde dann zur Infanterie ausgehoben und im Oktober 1907 zum 1.
Inf. Regiment eingezogen. Im zweiten Dienstjahr wurde ich wegen Geeignetheit zum Unteroffizier
befördert. Meine Vorgesetzten erkannten in mir einen tüchtigen Soldaten, worauf mir zugesprochen
wurde, ganz beim Militär zu bleiben. Ich blieb 4 Jahre beim 1. Inf. Regiment. Nach einem
Unglücksfall bei einem Militärsportfest, war ja schon immer der Sport und Turnen meine größte
Leidenschaft, musste ich eine Operation durchmachen im Kniegelenk. War ein halbes Jahr im Lazarett
und wurde soweit wieder hergestellt. Meldete mich dann zur Kraftfahrkompanie, um mich im
Motorenwesen gründlich einarbeiten zu können, denn damals schwärmte ich schon kolossal für das
Flugwesen. War 2 Jahre bei der Kraftfahrkompanie und hatte mir in kurzer Zeit mit Hilfe meiner
damaligen Vorgesetzten gute Kenntnisse erworben. Auch als Kraftwagenfahrer hatte ich manch schöne
Zeiten erlebt. Im Manöver 1913 hatte ich den Wagen des Bayer. Kriegsministers fahren dürfen, was
ich mir für eine hohe Ehre schätzte.
Bald darauf kam ich nochmals zur Ausbildung als Flugzeugführer und wurde am 1. Dez. 1913 mit noch
11 Unteroffizieren, die von der ganzen Bayer. Armee ausgesucht wurden, nach Schleißheim kommandiert.
Während meiner Ausbildung als Flugzeugführer hatte ich trotz dem großen Glück viel Krach. Als wir
zu Dreien auf eine Maschine eingeteilt wurden, glaubte jeder, er könne nicht oft zum Fliegen
kommen, bzw. es wurde oft die Frage aufgeworfen: Wer wird wohl die Maschine zerschlagen? Leutnant
Götz hielt uns große Vorträge über die ersten Rollübungen, damals gab es noch kein Hilfssteuer.
Man musste alleine zurecht rollen mit Halbgas. Als ich an die Reihe kam, wurde es gerade Mittag.
Am Nachmittag um 3 Uhr ging‘s wieder los. Zuerst kam einer meiner Kameraden. Mir war ganz Angst,
denn er flog 1 ½ m hoch und kam ganz schief auf einem Tragdeckstreifen zu Boden. Ich dachte schon
für heut ist‘s aus mit fliegen. Doch es war bloß ein Rad gebrochen. Schnell ein anderes geholt.
Reserveräder hatten wir genug. Ich wollte natürlich auch nicht mit Halbgas, wie befohlen war,
sondern mit Vollgas. Schon nach 200 m war ich vom Boden ab. Konnte nicht mehr herunter, weil der
Wald kam. Flog dann über´n Wald in ca. 30 m Höhe und landete wieder wo ich gestartet war. Gott
sei Dank! Ich hatte Angst genug ausgestanden. Nun war Schluss für heute. Mein Lehrer Herr Leutnant
Götz stellte das Fliegen ein. Ich selbst hatte 3 Tage Startverbot. Und so des Öfteren musste ich
aussetzen, weil ich zu schneidig flog. Es war aber ganz gut. So hatte ich wieder Zeit zum
Überlegen, was ich falsch gemacht hatte.
LVG - Flugzeug von Max Ritter von Müller mit MG für den Beobachter
Mitte Dezember hatten wir einen schlimmen Tag. Exzellenz General von Brug besichtigte die
Fliegerschule. Auch die Schüler mussten ihre Kenntnisse im Fliegen zeigen. Der Erste, der startete,
machte einen Sprung und eine halbe Kurve. Gleich darauf flog ich eine ganze Kurve. Unteroffizier
Schweitzer, ein kolossal ehrgeiziger Mann, wollte nicht zurückstecken und flog auch eine Kurve.
Überzog dabei seine Maschine und stürzte senkrecht zu Boden. Er war sofort tot. Da bekamen wir
erst einen Begriff vom Fliegen. Doch ich war meiner Sache sicher und hatte großes Vertrauen zu
mir. Der General hielt dann eine große Ansprache und gedachte zugleich mit schönen Worten an den
gefallenen Kameraden und der neuen Waffe, welche noch manch schweres Opfer bringen wird bis zu
seiner Vervollständigung. Bis zu meiner 3. Prüfung vergingen noch 10 Wochen. Ich hatte während
dieser Zeit noch manche Notlandung auf freiem Felde vornehmen müssen. Glücklicherweise hatte ich
nie Bruch gemacht.
Am 22. April 1914 flog ich nach Regensburg mit Beobachter Oberleutnant Spatz. Über Regensburg
blieb mir der Motor stehen und landete außerhalb der Stadt glatt. Der Motor hat sich leicht
gefressen. Ich tat ziemlich ein Öl ins Gehäuse um wenigstens zum Exerzierplatz hinüberfliegen zu
können. Doch endlich, nach nochmaliger Notlandung, erreichte ich diesen Platz. Am nächsten Tage,
das Wetter war sehr schlecht, probierte ich das Nachhausefliegen. Auch diesmal kamen wir bloß bis
Pendling, eine Stunde von Regensburg. Der Argusmotor machte nicht mehr mit. Mussten notlanden und
die Maschine abmontieren. Es regnete ziemlich stark. Trotzdem hatten wir beide, mein Beobachter
und ich, am Abend die Maschine verladen und fuhren selben Tages noch nach Schleißheim zurück.
Bekam dann eine bessere Maschine mit 100 PS Mercedes.
Anfangs Mai wurde ich als Erster von allen Schülern nach Grafenwöhr in der Oberpfalz kommandiert.
Nachmittags um 2 Uhr flogen wir in Schleißheim ab nach Grafenwöhr. Mein Beobachter Oberleutnant
Jägerhuber begleitete mich. Es war ein fürchterlicher Hagelsturm als wir in Grafenwöhr nach
2 ½- stündigem Flug ankamen. Blieb noch bis Anfang Juli in Grafenwöhr und hatte hauptsächlich das
Feuer zu leiten für schwere Artillerie.
Mitte Juli 1914 wurde ich zurückberufen nach Schleißheim. Kurz vor meiner Zurückberufung sollte
ich mit Oberleutnant Peter zu einem Einschießen für schwere Artillerie fliegen. Schon nach dem
Start in 20 m Höhe blieb mir der Motor stehen. Jetzt wohin, das Landungsgelände war hier sehr
schlecht. Ich nahm sofort die Zündung weg und stellte die Maschine am Kopf und brachte die Maschine
ziemlich heil ins Kartoffelfeld. Nur die Fahrgestellstrebe musste ersetzt werden. Und nächste
Woche reisten wir zur Ersatzabteilung zurück. Es blieb noch ein Nachkommando, die nachher die
Maschinen verluden. Geflogen durfte nicht werden. Warum wussten wir selbst nicht. Schon Ende
Juli machten sich kleine Anzeichen bemerkbar zum Kriege mit der Österreichischen Affäre. Ich
freute mich schon ganz riesig auf den kommenden Krieg, um meine Kenntnisse als Flugzeugführer
dem Feinde zu zeigen. Drei meiner Kameraden mussten schon am 3. August fort nach Speyer. Die
sogenannte Festungsflugabteilung. Wir, Abt. 1 b unter Führung des Oberleutnant Erhard rückten am
6. August aus. Unter begeistertem Hurra und mit Musik zogen wir begleitet von Schleißheimer
Bürgern zur Bahn. Fuhren noch in derselben Nacht ab. Wohin wird’s wohl gehen? trug einer den
anderen. Mein Kamerad Eiselein und ich waren beide Unteroffiziersflieger, alles andere
Offiziersflieger. Am 9. August kamen wir in Saarburg an, vormittags 10 Uhr. Hier wird ausgeladen,
hieß es. Wir hatten einen schönen Flugplatz in Bühl. Schon am 10. August musste ein Kamerad mit
Oberleutnant Stabl zu einem Erkundungsflug aufsteigen. Wir bekamen gleich so den richtigen Begriff
vom Kriege. Er hatte einen Treffer von Infanterie unterm Führersitz und einen Schrapnellsplitter
(das Schrapnell ist ein mit Sprengladung und Kugeln gefülltes Artilleriegeschoß) am obersten
Tragdeck erhalten. Am 11. Aug. mittags 1 Uhr, es war fürchterlich heiß, machte ich meinen ersten
Flug mit Oberleutnant Peter in Richtung Blamont. Hier sah ich zum ersten mal Franzosen. Wir flogen
1600 bis 1700 m hoch. Überall ringsum waren lauter Franzosen im Anmarsch. Nach 3 ½-stündiger
Flugdauer brachten wir sehr wichtige Meldungen zurück. Ein feindlicher Flieger war in ca. 2 km
vor mir vorbeigeflogen und hatte sich nichts gekümmert um mich. Und so vergingen Stunden und Tage
und wir hatten uns bald an den Krieg gewöhnt.
Max Ritter von Müller mit seiner LVG
Am 18. August hatte ich schon 7 Flüge mit je 3 Stunden und noch mehr hinter mir. Aber am 18.
August, als ich nachmittags von einem Erkundungsflug zurückkehrte, mussten wir auf Befehl von
A.O.K. (Armee-Oberkommando) nochmals fliegen, um auf die schwere französische Artillerie, welche
sich hinter Saarburg eingegraben hatte, das Feuer zu leiten. Schon kurz nach dem Start in 30 m
Höhe blieb der Motor stehen. Nun wohin. Es war keine Aussicht mehr auf den Platz zurückzukommen,
doch ehe ich mich auf einen Platz umsah, reagierte kein Steuer mehr und ich stürzte senkrecht mit
meiner so treuen Otto-Maschine ab. Glücklicherweise fiel mir und dem Beobachter, Herrn
Oberleutnant Peter der Motor nicht auf den Rücken. Es war bloß mehr ein Trümmerhaufen. Mein
Beobachter schrie um Hilfe. Er war eingeklemmt. Ich zog ihn so gut es ging aus den Trümmern
heraus, denn ich hatte mir selbst beide Beine gebrochen und konnte auch nicht mehr stehen. Mein
Beobachter hatte fürchterliche Schmerzen. Er hatte einen Kniescheibenbruch. Nächsten Tages am
19. August wurden wir beide nach Straßburg ins Bürgerspital verbracht. Noch hatte ich starke
Schmerzen, als ich aber sah, dass meine Füße noch hängen, war ich schon zufrieden. Hatte bloß
Angst, der Krieg würde mir zu früh aus werden und ich bin nicht dabei.
Max Ritter von Müller (links) im Lazarett in Konstanz
Nach 3 Wochen probierte ich schon wieder das Stehen. Meinem Beobachter ging es noch nicht gut. In
der 4. Woche transportfähig, wurde ich nach Konstanz verbracht. Eine langweilige aber interessante
Fahrt. Als wir in Konstanz ausgeladen wurden, wurden wir gleich vom Frauen-Verein und Konstanzer
Bürgern sehr anständig aufgenommen und hervorragend gut behandelt. Besonders die Bayern waren sehr
beliebt dort. Bald notdürftig geheilt, ging ich nach 6 Wochen Krankenzeit wieder ins Feld zu meiner
Abteilung zurück, das war die schrecklichste Fahrt, die ich mir denken konnte. 8 Tage von Konstanz
bis St. Quentin war ich auf Bahnfahrt. Und ich konnte noch nicht fest stehen geschweige laufen.
Am 4. Oktober gelangte ich mit Mühe und Not bei meiner Abteilung 1 b wieder an. Mein
Abteilungsführer war ganz erstaunt über mein so frühes Erscheinen. Bekam noch für meine Leistungen
vor meinem Absturz das E.K. 2. Klasse. Am 9. Oktober wurde ich zum Umschulen auf LVG (Flugzeug,
das von der Luftverkehrsgesellschaft mbH. gebaut wurde), denn wir hatten noch eine Maschine mit
vornliegendem Motor geflogen, kommandiert. Am 12. Oktober kehrte ich wieder zur Abteilung zurück.
Am 13. Oktober war ganz schlechtes Flugwetter. Die Wolken 1500 m hoch. Mein Beobachter
Oberleutnant Pestele und ich hatten den Auftrag, über Maricourt Bomben zu werfen. Um 8 Uhr
Vormittag flogen wir ab mit LVG und warfen in ca. 1100 m Höhe die Bomben ab.
Max Ritter von Müller vor einem von ihm abgeschossenem feindlichem Flugzeug
Am Westrande des Dorfes entstand ein kleiner Brand. Wir kehrten bei Regenwetter wieder glatt zurück.
Meine einzige und größte Freude war immer, möglichst weit hinter die Front zu fliegen. Man hatte
das Abwehrfeuer weniger zu fürchten. Feindliche Flieger gab‘s damals auch ganz wenige.
Besonders große Freude hatte ich, wenn ich mit Herrn Oberleutnant Rutz fliegen durfte, das war doch
ein glänzender Beobachter in jeder Beziehung. Doch wir hatten ausschließlich die guten Beobachter.
Man konnte sich ja mit keinem beklagen. Am 2. Nov. 1914 war es, als ich mit Beobachter Herrn
Oberleutnant Rutz die Stellung von der Somme bis Lihons fotografieren musste. Schon beim Anflug
bekamen wir kolossales Artilleriefeuer. Wir flogen immer so in 1700 m Höhe. Wir konnten uns nicht
mehr halten, das feindliche Feuer war so stark. Eine Granate explodierte vor mir. Nur durch
Zufall, ich machte gerade vorher rechts um, sonst hätten wir einen Volltreffer bekommen. Doch
eine ganz gute Idee. So oft ich Artilleriefeuer sah unten, flog ich noch eine Zeitlang geradeaus,
dann schlug ich eine andere Richtung ein. Und immer hatte ich in meinen Frontflügen Glück dabei.
Wenn ich auch öfters kolossal verklopft wurde, doch hatte ich Spaß an den ganzen Aufklärungsflügen.
Ganz besonders großen Spaß und Freude hatte ich am Bombenwerfen. So oft ich den Flug nach Amiens
hatte, nahm ich Bomben mit und selten ohne Erfolg. Am 22. Februar 1915 hatten mein Beobachter und
ich mit Hilfe des neuen FF-Apparates (Funkapparat) zum erstenmal das Artillerieeinschießen zu
leiten. Es war ein langweiliges Fliegen und zwei Stunden immer im Kreise fliegen machte mir wenig
Vergnügen. Interessant wurde es erst, wenn die Artillerie durch Einschlagen ihrer schweren Mörser
in feindliche Stellungen sich zu erkennen gab.
Ich hatte mir vor dem Führersitz ein 20 cm großes Loch einschneiden lassen. Und ein 50 cm langes
Blechrohr eingesetzt. Durch dieses Rohr suchte ich die Ziele auf. Sobald ich das Ziel vor mir im
Rohr sah, warf ich meine Bomben ab. Mein Beobachter und ich hatten dabei gute Resultate erzielt.
Unter anderem hatten wir, Hauptmann Peter und ich, einen großen Erkundungsflug hinter Amiens und
gleichzeitig den Flugplatz bei Villers-Bretonneux mit Bomben zu belegen. Als wir bei Bapaume die
Front überflogen, wurden wir durch 2 Farman angegriffen.
Damals im März 1915 gab es noch keine Jagdflieger. Die Farman schien mir anfangs gar nicht
gefährlich zu sein. Sie hatten MauserPistolen und schossen immer 10 Schuss ab. Ich flog ruhig
meines Weges Richtung Amiens. Mein Beobachter schoss nach hinten heraus. Ich hatte eine 100 PS
Albatros und konnte mich dem feindlichen Farman deshalb flugs entziehen. Einen Luftkampf gab es
damals noch nicht. Hatte auch keinen Treffer in der Maschine, obwohl die Engländer bis 200 m
herankamen. Nach 1 ½ Stunden Flugdauer zurück von Amiens kamen wir an dem Flughafen Villers
Bretonneux vorbei. Mein Beobachter gab mir die Hauptrichtung an. Als ich kurz vor dem Flugplatz
durch meine Bomen-Zielvorrichtung durchschaute, konnte ich unter mir genau das Zelt des Flughafens
sehen. Ich zog meine Bomben ab und kreiste nachher über den Hafen, um unser Resultat zu
beobachten. Tatsächlich brannten 2 Zelte nieder. Bekam für diesen Flug das Bayer. Verdienstkreuz
in Silber und hatten wir noch wichtige Beobachtungen gemacht hinter der feindlichen Front. Ende
April 1915 hatten Oberleutnant Pestele und ich einen Bombenflug nach Albert und zugleich einen
Erkundungsflug nach Amiens, das war mein 69. Flug bei der Abteilung 1 b. Wir starteten
gleichzeitig mit Leutnant Scheuermann um 9.00 Uhr vormittag. Es war wunderbares Flugwetter, Sicht
glänzend zum Fotografieren. Als wir bei Peronne die Front überflogen, hörte ich in ca. 2000 m
Höhe hinter mir Maschinengewehrfeuer. 3 Farman hatten uns überrascht. Ich ging sofort im
Sturzflug auf ca. 1000 m herunter und flog wieder zur Front zurück. Wir hatten bloß einen
Karabiner als Waffe. Ich stieg wieder bis 2.300 m Höhe und setzte zum zweiten Male an Richtung
Amiens. Diesmal ließen uns die Engländer 20 km hinter die Front und griffen uns bei Villers
Bretonneux an. Als uns der erste Engländer angriff, schoss Oberleutnant Prestele immer mit dem
Karabiner hinten hinaus. Der Farman saß dicht hinter mir. Ich hörte genau das langsame
Maschinengewehrfeuer. Immer 10 Schuss, dann war einen Moment Ruhe. Die 3 Farmer feuerten auf uns.
Oberleutnant Pestele schoss mit Leuchtpistole hinten heraus, worauf die Farman verblüfft abzogen.
Ich flog Kurven und zog meine Maschine in Höhe, worauf die 3 Engländer zurückblieben. Bei Albert
warfen wir die Bomben noch mit sichtbarem Erfolg ab und kehrten nach 2 ½ Stunden glatt zur
Abteilung zurück. Ich hatte in meiner Maschine zum erstenmal 9 Treffer abbekommen. 2 Tage darauf,
am 27. April mussten wir wieder nach Amiens. Diesmal ging es uns noch schlechter. Wir hatten
einen regelrechten Luftkampf mit einer Nieuport und einer Farman. Zum erstenmal sah ich da einen
Nieuport-Einsitzer. Nach einem 5 Minuten langen Luftkampf ließen beide Gegner von uns ab. Nach 2
Stunden kehrten wir wieder zur Abteilung zurück. Diesmal hatte ich das Höhensteuer durchschossen,
eine Strebe abgeschossen und noch 12 Treffer in der Maschine. Der Luftkampf wurde von der
Stellung aus beobachtet. Ich erhielt für tapferes Verhalten vor dem Feinde das Eiserne Kreuz 1.
Klasse.
Im Mai 1915 bekam ich dann eine LVG mit MG hinten heraus. Ich hatte große Freude mit dieser
Maschine, doch die Freude war nicht von langer Dauer. Die Maschine war etwas schneller als die
Albatros mit 100 PS Mercedes. Es war ein 150 PS Benz-Motor eingebaut. Leicht zu fliegen waren
diese Maschinen auch nicht. Besonders beim Landen musste man Obacht geben. Bei der Offensive im
Mai 1915 bei Vimy musste ich mit Oberleutnant Ritter von Mann zur Aushilfe nach der Abteilung
32.
Nach dem 3. Schutzflug griff mich ein englischer Farman an. Die Freude war groß, denn die
Engländer wussten noch nicht, dass wir MG dabei hatten. Ich war höher und ging zum Engländer
herunter. Wir flogen einander in 10 m vorbei, als ich einen einzelnen Schuss in meiner Nähe
einschlagen hörte. Da ich den Engländer darauf hinter mir sah, nahm ich Gas weg, damit der
Engländer näher herankommen konnte. Mein Beobachter hatte schon das MG auf ihn gerichtet. Er kam
immer näher. Ich dachte, jetzt war gut zum Schießen. Mein Beobachter schoss immer noch nicht. Ich
wurde stutzig. Vielleicht Ladehemmung? Nicht lange dauerte es, da rief mir mein Beobachter zu:
“Tiefer gehen, ich bin getroffen.“ Ich ging sofort in der Spirale hinunter, verfolgt von dem
Engländer bis 500 m und landete bei Bihucourt nördlich Bapaume glatt. Mein Beobachter hatte einen
Streifschuss am Kopf und einen Splitter im Arm. Ich brachte ihn sofort nach der Landung ins
Schloss und holte einen Stabsarzt. Es war nicht sehr gefährlich. In 14 Tagen war mein Beobachter
wieder bei der Abteilung. Als ich das Maschinengewehr untersuchte, war ein Schuss durch die
Ladekammer gegangen und deshalb Ladehemmung. Also flog ich meine Maschine wieder zur Abteilung
32 zurück. Ich war noch 8 Tage zur Aushilfeund kam dann wieder zu meiner Abteilung 1b zurück.
Anfang Juni hatte Hauptmann Eyser und ich noch 3 Herren der Abteilung den Auftrag, morgen 5 Uhr
die Stadt Bray am Westausgang mit Bomben zu belegen. Wir flogen als Erstes über die Stadt und
schützten zugleich die noch nachkommenden Flugzeuge der Abteilung. Als wir eine Zeitlang über
Bray kreisten, kam ein Farman angeflogen und griff uns an. Als er bis 100 m heran war, eröffnete
mein Beobachter Hauptmann Eyser das MG-Feuer. Im Sturzflug war der Engländer verschwunden und
musste hinter den Linien notlanden. Wir warfen unsere Bomben ab mit gutem Erfolg. Die Stadt
Bray stand nächsten Abend noch in Brand. Als wir Nachhause kamen wurde auch von den anderen
Herren schon gemeldet, dass das westliche Stadtviertel in Brand gestanden sei, als sie ihre
Bomben abwurfen. Nächsten Tag hatten wir denselben Auftrag, den nördl. Teil der Stadt mit Bomben
zu belegen. Ich hatte noch mehrere interessante wertvolle Aufnahmen über feindliche Stellungen
gemacht und landete glatt im Hafen. Diese Maschine gab ich noch am selben Tage an meinen Freund
Spannhake ab. Dieser machte am Abend einen Frontflug und stürzte aus 100 m Höhe senkrecht ab und
verbrannte mit seinem Beobachter Leutnant Niedermeier. Anfangs August bekam ich vom Park II eine
160 PS Mercedes in Ago-Doppelrumpf. Eine ganz glänzende Maschine. Ich stieg in 22 Minuten auf
3000 m und in 35 Minuten auf 4000 m Höhe. Die Maschine war eine reine Erholung für mich. Von Aug.
1915 bis Mai 1916 flog ich mit dieser Maschine weit hinter feindliches Gebiet und mein Beobachter
brachte immer die besten Fotografien mit nach Hause. Man konnte ganz senkrechte Aufnahmen machen.
Im Fotografieren war ein besonderer Künstler Hauptmann Rutz. Am 1.8.1915 starteten wir um 11 Uhr
vormittags. Es war kolossal böig, bis 1800 m Höhe. Ich flog bis 2700 m hoch. Wir machten bis 24
Aufnahmen. Wir mussten wegen zu starkem Artilleriefeuer dreimal ansetzen und wurden mit Granaten
überschüttet. Ein Flaksplitter blieb in der Vorderkante des unteren Tragdecks stecken. Mitte Juli
hatten wir einen Nachtflug über die Stadt Bray und den Bahnhof.
Manchmal war das Fahrrad das einzige Fortbewegungsmittel
Bei schlechtem Wetter oder wenn wir frei hatten, gingen wir auf Jagd oder vertrieben uns die Zeit
mit sportlichen Vergnügungen, denn ich war auch ein leidenschaftlicher Turner und Sportsmann. Meine
beiden Füße wurden im Laufe der Zeit auch wieder besser. Am 12. August 1916 fragte mich mein
Abteilungsführer, ob ich Lust hätte, bei Maricourt niedrige Aufnahmen zu machen. Da ich jederzeit
durch das schneidige Draufgehen meines Abteilungsführers in keiner Weise zurückstehen wollte, war
ich selbstverständlich sofort einverstanden. Wir flogen um 11.30 Uhr ab Richtung Lihons und
machten verschiedene Aufnahmen in 2700 m Höhe hinter den feindlichen Linien. Als wir nach Norden
herauf über die Somme flogen, winkte mir mein Beobachter zu, tiefer zu gehen. Ich ging im
schwersten Artilleriefeuer, denn damals hatten die Engländer schon viele Abwehrgeschütze zur
Somme-Offensive bereitgestellt, bis auf 1700 m herunter. Mein Beobachter wollte noch tiefer gehen.
Ich ging bis 1000 m herunter und hatten sehr wertvolle Aufnahmen gemacht, die später für die
Somme-Offensive gute Verwendung gefunden hatten. Für diesen Flug bekam ich die silberne
Tapferkeitsmedaille. Auch hatte ich schon des öfteren schwere Luftkämpfe zu bestehen, denn die
Engländer traten auf einmal mit ganz kolossaler Übermacht auf. Auch wurde ich im Februar 1916 zum
Offizier-Stellvertreter ernannt. Bei der Abteilung 1 b hatte ich über 200 Flüge über dem Feind
gemacht und bat dann später als ein Abteilungsführer der Einsitzerflieger namhaft gemacht zu
werden. Im April 1916 wurden Hanns Braun und ich nach Mannheim kommandiert zwecks Umschulung auf
Jagdeinsitzer. Anfangs hatte ich gar keine rechte Lust dazu und wollte mich fast wieder ablösen
lassen. Mir kam die Sache ein bisschen langweilig vor. Meine Nerven waren auch schon etwas
verbraucht und so fühlte ich mich gar nicht recht wohl, dann musste ich mir die Steuer immer
verlängern, weil ich sie sonst durch meine kurzen Beine selten erreichen konnte. Außerdem waren
die Fokker-Maschinen schon ziemlich ausgeflogen, da bekam ich eine Pfalz 80 PS, diese behagte
mir etwas besser als 80 PS Fokker. Nach 14 Tagen machten wir unser Bedingen, es waren 39 Flüge,
und wurden nach bestandener Prüfung am 22. Mai 1916 zur Kampfstaffel Nord kommandiert. Schon
am 1. Tag, es war am 24. Mai, flog ich mit Fokker 111 in Richtung Peronne, da sah ich in 1800 m
Höhe eine englische BF (Bristol Fighter) in Richtung Flaucourt fliegen. Ich griff denselben an.
Als ich bis auf 100 m heran war, machte der Engländer kehrt und verschwand unter meinem Tragdeck.
Ich hatte zu spät geschossen. Bis ich ihn wieder einholte, war es schon zu spät. Im Kurvenkampf
war die Fokker Eindecker unterlegen. Am 26. Mai flog ich an die Front. In ca. 3000 m Höhe bei
Bapaume wurde ich von Nieuports angegriffen und hatte dabei einen schweren Luftkampf, jedoch ohne
Erfolg. Bei der Landung verlor ich ein Rad und überschlug mich, jedoch ohne mich zu verletzen. Die
Maschine blieb so ziemlich heil. Nun begann die englische Offensive. Die Engländer traten in
kolossaler Übermacht auf. Von allen Seiten wurde um Flieger gebeten. Besonders frech waren die
englischen Artillerie-Flieger. Sie kamen bis auf 400 m herunter und leiteten das Feuer auf unsere
Artillerie. Waren wir zu Dreien, so kamen die Engländer in dreifacher und vierfacher Übermacht.
Es war einfach schauderhaft. An allen Seiten konnte man englische Flieger beobachten. Leutnant
Mulzer und Leutnant Parschau und Leutnant Schramm wurden noch im Juni zu uns kommandiert.
Leutnant Mulzer schoß dann 2 Tage darauf den 7. und 8. Gegner ab. Leutnant Parschau griff einen
Vickers-Einsitzer bei Bapaume an und wurde von einem anderen englischen Nieuport von hinten
abgeschossen. Er starb nächsten Tages im Lazarett. Auch Leutnant Schramm fiel noch am selben Tage.
Ein schmerzlicher Verlust für die Staffel. Ein Tag nach dem anderen verging, jeden Tag hatten wir
die schwierigsten Luftkämpfe und nur einen Erfolg, da wurde die Jagdstaffel Boelcke aufgestellt.
Damalige Jagdstaffel 2. Offizier-Stellvertreter Reimann und ich wurden zur Staffel Boelcke
versetzt. Hauptmann Boelcke kam am 30. August und richtete die Staffel ein. Hauptmann Boelcke und
Offizier-Stellvertreter Reimann flogen am selben Abend noch an die Front. Hauptmann Boelcke mit
Fokker Doppelsitzer und Offizier-Stellvertreter Reimann mit Albatros D. I. Albatros D. I. wurde
zum erstenmal an der Front geflogen. Ich saß am Scherenfernrohr und beobachtete gerade wie
Hauptmann Boelcke von zwei Nieuport angegriffen wurde. Ich erkannte seine Maschine.
Offizier-Stellvertreter Reimann griff ebenfalls in den Kampf ein. Musste aber angeblich wegen
Ladehemmung ablassen. Hauptmann Boelcke wurde verfolgt von einer Vickers-Einsitzer bis auf 1500 m
Höhe. Auf einmal zog Hauptmann Boelcke seine Maschine hoch und fasste den Engländer von hinten.
Es dauerte nicht lange, da brannte der Engländer und stürzte in der Gegend von Thiepval ab. Es
war sein 20. Gegner. Ich verfolgte Hauptmann Boelcke im Glas bis zur Landung. Da sagte Hauptmann
Boelcke, dieser Kaffer ließ nicht von mir und ich hatte gerade Ladehemmung. 3 Tage darauf wurden
zur Staffel weiter Leutnant Reimann, Leutnant von Richthofen, Leutnant Immelmann, Leutnant Böhme,
Leutnant Wortmann, Leutnant Höhne und später noch Leutnant König, Leutnant Voss, Leutnant Philipp,
Leutnant Diener und Oberleutnant Kirmaier versetzt. In etwa waren uns 12 Flugzeugführer. Leutnant
Grafe und Leutnant Amann fielen gleich zu Anfang der Neuaufstellung. Als ich zum ersten Male mit
Hauptmann Boelcke flog, bekam ich erst so den richtigen Begriff von einem Luftkampf. Ich kann mich
noch erinnern, wie Hauptmann Boelcke sagte, wir fliegen viel zu wenig geschlossen. Eng zusammen
fliegen. Seine Haupttaktik bestand immer darin, möglichst gleichzeitig ins englische Geschwader
hereinstoßen. Anfangs kam ich immer zu spät. Als ich anfangen wollte, mir einen Gegner zu suchen,
hatten Boelcke und von Richthofen ihren Flug schon erledigt. Und die meisten brannten bei Hauptmann
Boelcke. Und er schoss immer mit Brandmunition.
Am 30.9.16 flogen wir unter Führung des Oberleutnant Kirmaier zu einem Verfolgungsflug von 6
Engländern in Richtung Cambrai. Als wir so in 2300 m Höhe flogen, sah ich von Cambrai her 5
Engländer kommen. Wir hatten die Höhe noch nicht und mussten ausbiegen. Unterdessen begegneten
uns von der Front her andere 4 Einsitzer. Ich war am weitesten nördlich und griff den mir am
nächstliegenden, der auf mich zukam, an. Leutnant von Richthofen war schon vorher mit seinem
Geschwader gestartet und hatte auch Luftkampf mit diesem Geschwader. Ich glaubte, dieser Engländer
wollte uns angreifen und schoss auf ihn. Er ging in östlicher Richtung in Spiralen tiefer, ich
dahinter her. Leutnant von Richthofen hatte ihn in großer Höhe aus dem Geschwader herausgeholt
und jedenfalls krank geschossen.
Als ich merkte, dass der Engländer nochmals die Richtung zur Front nahm, schoss ich nochmals
darauf, worauf der Engländer bei Vraucourt brennend abstürzte. Ich landete neben dem Engländer.
Es war ein schauerlicher Anblick. Nahm dem Engländer noch die Papiere ab und flog zur Staffel
zurück.“
1916 endet hier die Aufzeichnungen.
Zurück
|