|
E-Werk
Zurück
Ausschnitt aus einer Postkarte aus dem Jahre 1911.
Am Anfang war das Licht:
Ganz am Anfang der Elektrizitätsversorgung in Niederbayern stand der Wunsch nach elektrischem Licht.
Die vielfältigen Möglichkeiten, welche der Strom für die Kraftanwendung bot, waren noch kaum erkannt.
Überhaupt genoss im vergangenen Jahrhundert das elektrische Licht noch den Status einer spektakulären
Attraktion, von der man bis dahin bestenfalls in der Zeitung etwas gelesen hatte. „Dieses
Teufelslicht wird uns noch einmal mehr Schaden als Nutzen bringen.“
Erste Ansätze in Rottenburg um 1898.
Dabei hatte es bereits in den Jahren um die Jahrhundertwende zumindest Ansätze zu einer lokalen
Stromversorgung gegeben. Im Mai 1898 gab es zwischen Rottenburg und den Bezirksämtern Freising,
Rottenburg und Pfaffenhofen an der Ilm einen umfangreichen Briefwechsel, weil die
Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Helios bei Moosburg ein Wasserkraftwerk errichten und daraus
offenbar auch einige Orte auf Rottenburger Gebiet mit Strom versorgen wollte. Dieses Projekt kam
aber nicht zustande, so dass am 30. April 1900 das Bezirksamt Rottenburg auf Anfrage der Regierung
von Niederbayern mitteilte. „ In mündlicher Absprache mit Herrn Bezirksbautechniker wurde
festgestellt, dass Anlagen fraglicher Art (elektrische Mittelspannungsanlagen) im Amtsbezirk nicht
bestehen.
Toni Siegert „Elektrizität in Ostbayern
Im Oktober 1905 beschloss der Rat des Magistrats Rottenburg dass ein Elektrizitätswerk für die ca.
1300 Einwohner gebaut werden soll. Zu diesem Zweck soll für das Maschinenhaus von dem Bierbrauer
Seiderer der Stadel, der 1885 in der hinteren Marktstraße, heute Landshuter Straße, erbaut wurde,
erworben werden. Für die Installation der elektrischen Straßenbeleuchtung, (die öffentliche
Straßenbeleuchtung mittels Öllampen wurde 1865 eingeführt) und die Ausführung der Installation des
Elektrizitätswerkes wurde die Allgem. El. Gesellschaft München beauftragt, die Kosten hierfür trug
der Markt Rottenburg.
Im Juni 1906 wurde dem Baumeister Carl Stapfer der Umbau des Stadels zum Maschinenhaus übertragen.
Im gleichen Jahr wurde er noch fertig gestellt und ein 30 PS starker Dieselmotor der einen Dynamo
antrieb, der wiederum die Akkumulatoren auflud und den Markt mit Strom versorgte, installiert. Das
Elektrizitätswerk wurde noch im gleichen Jahr seiner Bestimmung übergeben.
Bild aus dem Jahre 1907.
Aufnahme aus dem Jahre 1909.
Schon nach drei Jahren, im Jahre 1909 konnte der Dynamo im neuerbauten Elektrizitätswerk den Strom
für den wirtschaftlich und gesellschaftlich aufstrebenden Markt Rottenburg nicht mehr erzeugen. Ein
neuer und kraftvoller 50 PS starker Dieselmotor und die dazugehörigen Akkumulatorenbatterien wurden
angeschafft. Zusammen hatten sie eine Leistung von 80 KW.
1911 stand unter der Rubrik „Elektrizität“ folgender Vers im Rottenburger Anzeiger:
„Im Haushalt elektrisches Licht und Kraft
Ist die neuste Errungenschaft.
Nichts anderes ist fürwahr zur Stund´
So sauber, so billig, so schön, so gesund
Elektrische Kraft und elektrisches Licht
Zum Kochen und Heizen, zum Brennen und Plätten
Was bess´res und billig´res gibt es nicht
Es sei denn, dass wir- das Radium hätten.
Verwende fortan nur Elektrisch
Zum Plätten und Kochen und Heizen,
Schaff ab das alte Hausgerät,
Dann blüht dir goldener Weizen.
Fort mit dem alten Hausgerät,
Zum Heiz´ n Kochen Plätten!
Wir haben doch jetzt die Elektrizität!
Ach! Wenn wir die nicht hätten!“
Dieser Typ von Dieselmotor von 30 und 50 PS wurde zum Antrieb der Dynamos im Elektrizitätswerk Rottenburg
verwendet.
Rottenburg im Dunkeln: 1911
„Heute früh streikte das „Elektrische“.
Beim Aufwachen bemerkten die Bewohner der Bahnhofstraße, dass sie umsonst den Lichtschalter
rüttelten, denn es blieb dunkel und man war genötigt, die schon längst verachtete Lampe aus der
Rumpelkammer hervorzuzerren. Schlimm erging es den Bäckern, denn schon um die Mitternachtsstunde
waren sie ohne Licht. Dem Vernehmen nach soll der Sturm die Kalamität herbeigeführt haben.
Anzeige aus dem Jahre 1919.
Anzeige aus dem Jahre 1923.
Am 1. Mai 1960 hatte das E-Werk mit seiner Gleichstromanlage ausgedient, die letzten Anlagen im
Ortsnetz wurden auf Wechselstrom umgestellt. Zugleich wurden die alten Eisendrähte die einen großen
Widerstand hatten durch Kupferleitungen, die einen niedrigen Widerstand hatten, ausgewechselt. Die
komplette Anlage wurde verschrottet.
Mitte der 60er Jahre bis 1987 beherbergte das Gebäude den Bauhof.
Seit 1992 ist das E-Werk in privater Hand.
1989 bezogen die Radiofreunde Rottenburg e.V. zwei Räume. Seit vielen Jahren betreibt Nore
Niederreiter darin einen Trödel- und Antiquitätenhandel.
Originalbericht des Rottenburger Anzeigers 1949.
Elektrizitätswerk
„Im Jahre 1906 beschaffte sich die Gemeinde Rottenburg eine 30 PS-Dieselelektrische-Anlage zur
Versorgung ihrer Einwohner mit Elektrizität. Diese Anlage reichte damals bei den ungefähr 11
vorhandenen elektrisch betriebenen Maschinen vorerst aus. Als jedoch die Elektrizität auf ihren
Siegeszug durch das Land immer mehr neue Abnehmer bekam, musste im Jahre 1909 eine weitere Anlage
mit 50 PS beschafft werden. Da sich aber die Zahl der Bewohner des Marktes und somit auch der
Verbrauch des elektrischen Stromes fortwährend steigerte, musste man in den Jahren 1924-1929 dazu
übergehen, zusätzlich Strom von den Überlandwerken zu beziehen, um dem sich stetig steigenden
Bedarf gerecht zu werden. Besonders in der Landwirtschaft und im Haushalt haben sich die
elektrischen Motoren und Geräte, wie z.B. Kochplatten, Kochherde, Wärmeöfen, Bügeleisen und zuletzt
elektrische Kühlschränke, ganz abgesehen von dem Stromverbrauch der modernen Beleuchtungskörper,
bis 1945 derart vermehrt, dass die vorhandene bisherige Krafterzeugung nicht mehr ausreichte. Es
musste daher neuerdings in Erwägung gezogen werden, das Stromnetz weiter auszubauen, damit es den
Anforderungen des sich dauernd steigernden Bedarfs Genüge leisten konnte. Die Kraftstation für
Energieversorgung, die Eigentum der Gemeinde ist und als Gleichstromnetz von 220 Volt Licht und
Kraftstrom liefert, soll jetzt allmählich in Wechselstromnetz umgewandelt werden. Da aber der
Umbau des bisherigen Netzes erhebliche Kosten verursachen würde, ist man übergegangen, vorerst
nur für die neuerstellten Wohn-, Fabrik- und Werkstätten ein Wechselstromnetz aufzubauen. Die
Energieversorgung von Rottenburg geschieht nun ausschließlich durch die Überlandwerke der
Ostbayern AG. und zwar durch eine Stark-Drehstromleitung, die durch einen außerhalb der Ortschaft
(Gisseltshausen)stehenden Transformator auf 380 Volt umtransformiert wird.
Die Gesellschaft hat der Gem. Rottenburg als Abnehmer des Überlandstromes eine besondere
Drehstromniederspannungsleitung von der Umspannstelle (Transformator) bis zum Elektrizitätswerk
erstellt. Hier, beim Elektrizitätswerk der Gemeinde, wurde eine Quecksilber-Dampf-Glas-
Gleichrichteranlage nebst den dazugehörigen Messeinrichtungen eingebaut, die nunmehr die
Marktgemeinde Rottenburg versorgt. Die bisherigen beiden Wärmekraftmaschinen dienen als Reserven
und zusätzlich als Spitzendeckung bei besonders hohem Energieverbrauch, falls unhervorgesehene
Störungen in der Zuleitung des Überlandstromes eintreten sollten. Der Transformator und die
Überspannungsleitung sowie alle zur Abnahme der elektrischen Energie erforderlichen Einrichtungen
sind Eigentum der Gemeinde und werden von ihr unterhalten. Die von der Gemeinde mit der Ost
Strom AG laut Vertrag getroffenen Vereinbarungen beziehen sich auf einen Umspannschlußwerk von
etwa 125 KV-Ampere.
Da zurzeit in der Marktgemeinde ca. 350-400 Motoren in landwirtschaftlichen und gewerblichen
Betrieben laufen, reichen die laut Vertrag zu liefernden 120 KV bei starker Inanspruchnahme bei
weitem nicht aus. Das Minimum des Bedarfs ist heute bei150 KV dem ein Normalverbrauch von
mindestens 200 PS: gegenübersteht. Wohl ist des öfteren die Frage aufgeworfen worden, ob es
zweckmäßig wäre, den benötigten Strom durch Erweiterung der vorhandenen eigenen Wärmekraftanlage
selbst zu erzeugen. Nach Ansicht der Fachkreise, unter Beachtung der Rentabilität, muss aber
diese Frage zunächst verneint werden. Die Gründe der Verneinung liegen besonders in dem heute
noch zu teuren Rohöl für den Dauerbetrieb, wie auch in den hohen Anschaffungskosten für weitere
Maschinen. Zurzeit ist es von sich aus im Interesse der Allgemeinheit der Abnehmer erheblich
zweckmäßiger, den Strom aus dem Überlandwerk zu beziehen. Freilich, sollte einmal eine Senkung
der Öl- und Maschinenpreise eintreten, dann könnte die Marktgemeinde sich wieder damit befassen,
zu überprüfen, ob dann die eigene Stromerzeugung aus dem eigenen Werk doch manche Vorteile für
den Markt mit sich bringen würde.“
Foto aus dem Jahre 2014.
Zurück
|