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Ehemaliges Landratsamt (Bezirksamt)
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Foto aus dem Jahre 1939
Das ehemalige Bezirksamt in Rottenburg wurde im Jahre 1865 erbaut. An seiner Spitze stand der
Bezirksamtmann. Ab 1.1.1939 wurde in Angleichung an norddeutsche Verhältnisse die Bezeichnung
Bezirksamt und Bezirksamtmann durch den Landkreis und Landrat ersetzt. Von 1937 an fungierten in
Rottenburg Amtsverweser. Zuerst übte das Amt Regierungsrat Oswald und dann Regierungsrat
Interschick aus.
Mit der Gebietsreform verlor Rottenburg zum 30.06.1972 den Landkreissitz. Der aufgelöste Landkreis
wurde am 1.07.1972 den Landkreisen Landshut Kehlheim, Regensburg und Mainburg zugeordnet.
1978 erwarb die Stadt das leerstehende Gebäude und errichtete hier nach teilweisem Abbruch das
jetzige Rathaus.
1881 Ansicht vom Weinberg aus.
1854 war in dem Gebäude noch das Königl. Bayer. Landgericht untergebracht.
Foto um 1950
1956 musste der Pavillon dem Straßenbau weichen, er wurde mit einem Spezialtransport nach
Niederhatzkofen in den Schlossgarten der heutigen Schlossklinik gebracht und dort aufgebaut.
Foto aus dem Jahre 1965
Foto März 2014
1927 Ein Schreiben des damaligen Bürgermeisters Josef Stapfer an das Bezirksamt Rottenburg.
„Dankschrift über die Erhaltung des Bezirksamts Rottenburg.
Durch die geplante Aufhebung des Bezirksamtes Rottenburg würde die Marktgemeinde Rottenburg am meisten geschädigt. Letztere hat im Jahre 1926 auf Drängen der Aufsichtsbehörden für den Amtstierarzt ein Haus gebaut, das rund 26000 M kostete und im Jahre 1927 wurde ein neues Gendarmeriegebäude in Angriff genommen, das z. Zt. im Rohbau fertig gestellt ist. Das Letztere ist auf 34000 M veranschlagt. Die Innuitäten und die Verwaltungskosten betragen vom ersten Gebäude jährlich 1900 M worin 1320 M durch Mietzinsen gedeckt sind. Nun ist Herr Bezirkstierarzt Dr. Bayer der einzige Beamte in Rottenburg, der diesen Mietzins bezahlen kann. Würde auch die Wohnung geteilt, dann könnte niemals der hohe Mietzins erreicht werden, weil
1. durch die Aufhebung des Bezirksamts und Versetzung der Beamten viele Wohnungen leer würden,
2. die noch in Rottenburg verbleibenden Beamten genug Wohnungen mit jährlichem Mietzins von 480 – 540 M bekommen würden,
3. sich das neu erbaute Wohnhaus nur für Wohnzwecke, niemals aber, wegen seiner Lage, zu Geschäftszwecken eignet.
Wird das Bezirksamt aufgelöst, wird auch die Gendarmerie-Hauptstation aufgelöst und der Gendarmerie-Commissär versetzt. Die Station wird dann nur mehr mit einem Sicherheitskommissär und zwei Wachtmeistern besetzt werden. In dem im Bau begriffenen Gendarmeriegebäude sind aber vorgesehen:
1 Familienwohnung für den Gendarmerie-Commissär
2 Familienwohnungen für zwei verheiratete Wachtmeister,
1 Zimmer für einen ledigen Wachtmeister
und die erforderlichen Bureauräume.
Die Marktgemeinde Rottenburg würde auch hier durch verminderte Einnahmen an Mietzinsen großen Schaden erleiden. Zur Ausführung dieser Bauten hat sich aber die Gemeinde nur durch die Aufsichtsbehörden drängen lassen, weil ihr stets, sogar von höchster Stelle aus versichert wurde, dass das Bezirksamt Rottenburg erhalten bleibt. Auch früher schon hat die Marktgemeinde Rottenburg große Aufwendungen für Beamtenwohnungen gemacht, die von keiner Gemeinde in ganz Bayern, in der Größe von Rottenburg, übertroffen werden können. Vor dem Kriege schon wurden 2 große Wohnhäuser erworben und für Beamtenwohnungen umgebaut. Die Kosten, die die Gemeinde in den letzten 20 Jahren für diesen Zweck aufgewendet hat, belaufen sich einschl. der Neubauten weit über 100000 M. Einen weiteren Ausschlag in den Gemeindefinanzen, die ohnedies nicht rosig sind, gibt auch die Einkommenssteuersenkung, welche durch die Versetzung der Verwaltungsbeamten entsteht. Also auf einer Seite viel weniger Einnahmen an Mietzinsen und Steueranteilen und auf der anderen Seite dieselben Ausgaben wie bisher. Nachdem die Gemeinde Rottenburg bis jetzt schon die höchsten Umlagensätze erheben musste, wird sie bei Aufhebung des Bezirksamts überhaupt nicht mehr in der Lage sein, den Etat abgleichen zu können.
In wirtschaftlicher Beziehung hat der Markt Rottenburg jetzt schon einen ganz eng begrenzten Kundenkreis. Dies kommt daher, weil im Bezirke vier gleich große Märkte vorhanden sind und für die östlichen Gemeinden auch noch der Markt Ergoldsbach und Neufahrn in Betracht kommen. Die Landwirte der weiteren Umgebung kommen nur nach Rottenburg bei Versammlungen des landw. Vereins, bei Bauernkramer- und Bezirkstagssitzungen. Ebenso kommen die auswärtigen Handwerksmeister nur zu den Innungsversammlungen nach Rottenburg. Diese Versammlungen fallen aber alle mir der Aufhebung des Bezirksamts weg. Aus diesen kurzen Ausführungen kann also schon entnommen werden, dass der Markt Rottenburg das meiste Interesse an der Erhaltung des Bezirksamts hat und dass die Auflösung desselben für Rottenburg eine Existenzfrage ist.
Ebenso wie der Markt Rottenburg hat der ganze Bezirk Rottenburg ein Interesse, dass Bezirk und Bezirksamt erhalten bleiben. Der Bezirk (4 Märkte und 46 Landgemeinden) hat ein durch langjährige stabile Verhältnisse ausbalanciertes, ruhig dahin laufendes Leben, das durch den tiefen Eingriff zum schweren Nachteil der Gegend gestört wird.
Ein Nachteil ist, dass der Bezirk seine Vertretungen verliert, also als lebendes Gebilde vernichtet wird. Was das bedeutet für eine Bevölkerung, die seit langer Zeit (Rottenburg gehört zu den ältesten Verwaltungsbezirken) ihr verfassungsmäßiges Eigenleben hatte, weiß die Staatsregierung am besten; sie braucht nur die Gründe gegen die Unitarisierungswut im Reiche analog anwenden.
Ein weiterer Nachteil ist die zu erwartende Zuteilung zum Bezirke Landshut. Der Bezirk Rottenburg hat 4 Märkte; sie werden künftig in erhöhtem Maße leiden unter der Neigung der Bevölkerung, die Städte zu besuchen und dort zu kaufen, während bisher der Bezirk mit seinem großen Straßennetz (141 km) durch dessen Ausbau und Unterhaltung immer auf das Gedeihen der Marktgemeinden Rücksicht nahm. Die gesamte Bevölkerung, die Hallerdauer Grenzer sind, passt nicht zu Landshut – Land, sondern eher zu Mainburg, mit dem es vor rund 30 Jahren einen Verwaltungsbeamten bildete und den Hopfenbau gemeinsam betreibt.
Ein Nachteil ist, dass die seit einigen Jahren im Bezirk eingesetzte erhöhte Tätigkeit zur Förderung des gesamten Mittelstandes vernichtet oder wenigstens empfindlich gestört wird, wenn das Bezirksamt aufgehoben wird.
Für das Handwerk wird seit 2 Jahren programmmäßig auf weite Sicht gearbeitet. Es werden jährlich 4 – 5 Handwerkerfachkurse kostenlos im Bezirk abgehalten, um das Handwerk auf dem Lande gegenüber den Städten konkurrenzfähig zu machen und auf der Höhe der Zeit zu halten. Der Bezirk wendet hierzu jährlich 600 – 1000 RM auf.
(1926/27:1 Schneider-, 1 Sattler-, 1 Schreiner und 2 Kleidermacherinnenkurse. 1927/28: 1 Schuster-, 2 Schreiner 1 Bauleiter- 1 Elektromechanikerkurs.)
Gegenwärtig finden Verhandlungen statt zur Gründung eines Bezirksinnungsverbandes, die in nächster Zeit zum Abschluss kommen. Alle diese Veranstaltungen, die Ansätze zum tätigen Fortschritt sein sollen, bedürfen stets der besonderen Pflege und Betreuung durch das örtliche Bezirksamt, dessen Initiative sie entsprungen sind.
Der landw. Verein zählte vor 2 Jahren 400, jetzt 600 Mitglieder. Die Mitgliederzunahme ist ein erfreuliches Zeichen, dass die breite Masse der Landwirtschaft die Tätigkeit des Vereins erkennt und sich ihm zuwendet. Es ist dies hauptsächlich den eifrigen Bemühungen des derzeitigen Bezirksamtsvorstandes zu verdanken.
Im Vorjahre wurden abgehalten:
10 Wanderversammlungen, 20 Hopfenspritzkurse, 21 Sortenversuche, 30 Düngungsversuche und 4 allgemeine Versammlungen. Außerdem besteht ein Bezirkshopfenbauverein, der sehr rührig ist und mit den Nachbarbezirken Mainburg und Pfaffenhofen zusammenarbeitet. Eine landw. Nebenstelle im Bezirk ist heuer beantragt worden und harrt der Verbescheidung. Auch diese rege Tätigkeit erstand im Wesentlichen aus der Initiative des Bezirksvorstandes im ständigen Benehmen mit den Beteiligten. Auch hier wird die Aufhebung des Bezirksamtes den Weiterbau lähmen, eine Zerreißung des Bezirkes ihn vernichten.
Auf die zahlreichen, stets wiederkehrenden Bekenntnisse der leitenden Staatsmänner und Führer wird hingewiesen, die besagen, dass Bauern- und Gewerbebestand zu fördern, das flache Land gegen den Zug in die Stadt zu schützen ist, das flache Land der Lebensquell des deutschen Volkes ist und dergl. mehr. Der Bezirk hat diese ausgezeichneten Führerworte stets beherzigt und sich bemüht, für den Mittelstand zu arbeiten. Er bittet aber die leitenden Stellen, ihn dabei zu unterstützen und nicht durch seine Auflösung und Wegnahme des Bezirksamts zu lähmen.
Dass die oben geschilderte Tätigkeit zum Nutzen des kleinen Mannes ein hervorragendes Mittel ist, den politischen Radikalismus, der früher hier stark herrschte, in Vergessenheit zu bringen und die Zusammenarbeit von Volk und Behörden auch den Unwissenden zu zeigen, sei hier nur nebenbei erwähnt,
Der Bezirk Rottenburg, der erst heuer durch 3 Gemeinden vergrößert wurde, ist der Meinung, dass
1. die Aufhebung des Bezirksamtes den Verkehr mit den Behörden verteuert, also volkswirtschaftlich keine Ersparnis ist,
2. der Lokalbahn Landshut – Rottenburg keine entscheidende Bedeutung für die Aufhebung des Bezirksamtes zukommen kann, umso weniger als die Bedeutung der Bahn als Verkehrsmittel gegenüber anderen Beförderungsarten immer mehr zurücktritt,
3. der Nutzen, den Landshut-Stadt aus der Aufhebung des Bezirksamtes erwartet, ihm nicht so fühlbar werden wird, wie der Schaden, der den 4 Märkten und dem Bezirk erwächst,
4. die Staatsregierung gewiss der Stadt Landshut einen geeigneteren Ersatz für die Aufhebung der Kreisregierung wird finden können, als die aus obigen Gründen schädliche Aufhebung von Bezirksamt und Bezirk Rottenburg.
Wenn schon eines der beiden Verwaltungsbezirke Rottenburg und Mainburg der Staatsvereinfachung zum Opfer fallen muss, so ziehen wir den Zusammenschluss von Rottenburg mit Mainburg vor, glauben aber, dass in diesem Falle der Bezirksamtshauptsitz in Rottenburg verbleiben muss, da dieser zentraler gelegen und der ältere Amtssitz ist, dem Mainburg früher gehörte.
(Rottenburg 38500 ha 50 Oden. 27700 Einw. 141 km Bez. Str.) Kleine Grenzberichtigungen könnten stattfinden. (Siehe Karte).
Durch sofortige Schaffung einer weiteren Kraftwagenlinie Pfeffenhausen-Mainburg, wie sie auch 1914 beantragt war, ist ein enger Zusammenschluss gewährleistet. Weitere Vorteile wird das Geschäftsleben in Mainburg und Pfeffenhausen haben, ebenso wie die hopfenbautreibende Bevölkerung, wenn die Zentrale des Hopfenbaues einander näher gerückt sind.
Wenn wir zum Schlusse noch auf die historischen und politischen Momente hinweisen, so geschieht dies nur, um die Staatsregierung auf alles Wissenswerte aufmerksam zu machen. Seit Jahrhunderten schon hat Rottenburg seine Gerichtsbarkeit. Ehedem waren es die Grafen v. Rottenburg, die die ganze Hallertau und den südlichen Teil bis über die Isar beherrschten. Später erhielt Rottenburg ein Landgericht und bei der Trennung der Verwaltung von der Justiz im Jahre 1862 wurde Rottenburg der Sitz des Bezirksamtes.
Wenige Orte in Bayern werden so alt und eine tausendjährige Geschichte nachweisen können, wie Rottenburg. Darum empfindet es die Bevölkerung Rottenburgs am schmerzlichsten, wenn ihr auf einmal das Bezirksamt weggenommen werden soll. Denn es wird mit Recht vermutet, ist einmal der Anfang gemacht, dann folgen später die übrigen Behörden nach und Rottenburg hat seine Behörden, mit denen es seit Jahrhunderten verbunden war, für immer verloren.
In politischer Hinsicht ist durch die Aufhebung des Bezirksamtes zu befürchten, dass die links stehenden Parteien wieder die Oberhand gewinnen.“
Rottenburg, den 1. Dezember 1927
für die Marktgemeinde Rottenburg
gez. Stapfer
1. Bürgermeister
Für den Bezirk Rottenburg
gez. Paul Pausinger
Herrngiersdorf
1. Vorsitzender
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